Dissertationsprojekt

Jugend, Tradition und Politik im kolonialen Kenia, 1920-1960

In den kolonialisierten Ländern des subsaharischen Afrika bildeten sich in der Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Unabhängigkeit zahlreiche politische Bewegungen, die das Attribut „jung“ im Namen führten oder zumindest von Vertretern einer jüngeren Generation geführt wurden und die ihre Anhängerschaft vornehmlich in den jungen Generationen fanden. Diese Jugendbewegungen verstanden sich als Vorkämpfer einer sozialen und politischen Erneuerung. Dabei wandten sie sich gegen die koloniale Macht und ihre bevormundenden Strukturen, unterzogen aber zugleich auch tradierte Werte und Machtgefüge ihrer Herkunftsgesellschaften, die in der Regel von älteren Generationen getragen wurden, einer kritischen Betrachtung. In einer Zeit tiefgreifenden Wandels befanden sie sich inmitten eines Spannungsfeldes von einerseits überlieferten, vertrauten und andrerseits neuen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Normen, und sie sahen gerade in ihrer Jugend ein besonderes Potential, beides miteinander zu verbinden und so ein neues zukunftsfähiges Konzept einer modernen afrikanischen Gesellschaft zu gestalten. So sahen sie sich als Träger des Wandels, befähigt, Altes mit Neuem zu verknüpfen.

Die Arbeit untersucht an drei Beispielen aus Kenia, welche politischen, religiösen und sozialen Formen von Aneignung und Neuverhandlung Jugendliche wählten und erprobten, wie sie sich innerhalb dieses kulturellen Schmelztiegels zu den tradierten, althergebrachten Normen und Werten positionierten und dabei auch ihr Selbstverständnis als junge Generation konzipierten. Dies ist zum einen die Kikuyu Central Association, eine politische Organisation nach westlichem Vorbild, getragen von Missionsschulabgängern, die sich als politischer Vertreter der Kikuyu gegenüber der Kolonialregierung sah. Des weiteren geht es um die religiöse Gruppe Dini ya Msambwa im westlichen Kenia, die Elemente tradierter einheimischer Religionen mit Elementen der Bibel verknüpfte, damit Traditionen verteidigte und zugleich den Abzug der Europäer forderte. Und schließlich befasst sich die Arbeit mit dem Beispiel der Pfadfinder in Kenia, deren Gründung auf eine koloniale Initiative zurückgeht und einen Versuch darstellte, Jugendliche in einem kontrollierten Raum zu sammeln, während die Jugendlichen selbst diesen Raum nutzten, um Rechte und Kontrolle über sich ein- und rückzufordern.