Dr. Maria Neumann
Assoziierte Wissenschaftlerin I Fachgebiet Kunst und Wissen
- Standort
- Gottschalkstraße 28a
34127 Kassel
- Raum
- Gottschalks 28a, Raum 2130
Studium der Geschichtswissenschaften, Politik- und Verwaltungswissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Potsdam und der Uniwersitet Wrocławski. Promotion „Die Kirche der Anderen. Religiöse Vergesellschaftung und Kalter Krieg im geteilten Berlin-Brandenburg, 1945-1990“ an der Humboldt-Universität zu Berlin; gefördert durch ein Stipendium des Evangelischen Studienwerks Villigst e.V. und ein Caroline von Humboldt-Abschlussstipendium der Humboldt-Universität zu Berlin. 2016-2017 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin; seit 2021 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am documenta Institut.
NS-Vergangenheiten der documenta-Akteur*innen
Zu den Gründungsfiguren der documenta zählt auch August-Martin Euler, ohne dass er auf der Vorderbühne der Ausstellung von 1955 präsent gewesen ist.
Euler wurde 1908 in Kassel geboren. Seit Kriegsbeginn war er Jurist bei der IG Farben, wo er unter anderem in die Ausbeutung von Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlingen involviert war. 1944 etwa trug er den Buna-Werken in Schkopau den „Einsatz ungarischer Juden“ als Arbeitskräfte an. Dabei war Euler weder Mitglied der NSDAP, noch gehörte er zur SA oder der SS.
Nach dem Krieg wurde er als Nichtbetroffener entnazifiziert und begann eine steile politische Karriere.
Als Landesvorsitzender der hessischen FDP bot er vielen ehemaligen NSDAP-Mitgliedern eine neue politische Heimat und suchte die Nähe zu rechtsextremen Organisationen. Auch verteidigte er in der sogenannten Naumann-Affäre ehemalige Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher, die versucht hatten, die FDP zu unterwandern. Gleichzeitig setzte er sich im Bundestag für die Verabschiedung mehrerer Amnestiegesetze für nationalsozialistische Täter*innen ein.
In diesen Jahren wurde Euler in die Vorbereitungen der ersten documenta einbezogen. Viele der beteiligten Personen kannte er privat. Der Vorsitzende des ersten Trägervereins, Heinz Lemke, hatte in Eulers Entnazifizierungsverfahren sogar für ihn ausgesagt. Eulers politische Positionen waren sicher bekannt. Aber Arnold Bode schien sich, wie alle anderen, nicht daran gestört zu haben. Denn Euler war für das Unternehmen documenta wichtig: Er öffnete im politischen Bonn viele Türen. Er war es auch, der Bundespräsident Theodor Heuss davon überzeugte, die Schirmherrschaft für die Ausstellung zu übernehmen.
Warum sich also mit einer scheinbaren Randfigur auf der Hinterbühne der documenta beschäftigen?
An Euler zeigt sich, dass die Geschichte der documenta mehr ist als die Geschichte einer Kunstausstellung. Sie hat sich in die Kultur- und Politikgeschichte der Bundesrepublik eingeschrieben.
Für Männer wie Euler handelte es sich von Anfang auch um ein politisches Projekt mit einer vergangenheitspolitischen Agenda. Er zielte darauf ab, ehemalige Nationalsozialisten in alle Bereiche der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu integrieren und ihre Verbrechen vergessen zu machen.
Geschichte der documenta
Kunst und Kulturpolitik im Nationalsozialismus und im Kalten Krieg
Antisemitismus im Kunstfeld
(De)Kontaminierungen im Kunstfeld. Die documenta im Fallvergleich (Arbeitstitel)
documenta-Stadt Kassel – Gastgeberin einer Weltkunstschau (in Vorbereitung).
Neumann, Maria/Vogel, Felix (Hrsg.): Bruch und Kontinuität. Kunst und Kulturpolitik nach dem Nationalsozialismus, Berlin 2024.
In zweifelhafter Gesellschaft? Adolf Arndt und August-Martin Euler. Zwei vergangenheitspolitische Akteure der ersten documenta 1955, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2 (2024), S. 139-160.
Die Kirche der Anderen. Christliche Religionsgemeinschaften und Kalter Krieg im geteilten Berlin-Brandenburg, 1945-1990, Berlin/Boston 2023.
Grenzenlose Möglichkeiten? Die Kirchen im Nachkriegsberlin, in: Wichmann Jahrbuch des Diözesangeschichtsvereins Berlin, Heiligenstadt 2021, S. 42-53.
Der Nächste ist ein Anderer. Grenzübergreifende Gemeindepartnerschaften in Berlin und Brandenburg während des Kalten Kriegs, in: Interdisciplinary Journal for Religion and Transformation in Contemporary Society 4 (2018), S. 224-253.
„Wir gehören zusammen!“ Christliche Gemeinschaft und kirchliche Zeitungen im geteilten Berlin, in: Deutschland Archiv 2017, Bonn 2018, S. 100-113. Online erschienen: https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/259675/wir-gehoeren-zusammen/
Religion in der geteilten Stadt. Christliche Vergesellschaftung und Kalter Krieg in Berlin, in: Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 11 (2017), S. 115-124.
01 | 2024 | Als Historikerin auf einer Ausstellung für Gegenwartskunst. Kassel und die Antisemitismus-Kontroverse um die documenta fifteen (Humboldt-Universität zu Berlin) |
11 | 2023 | Die documenta-Stadt – Gastgeberin einer Weltkunstausstellung. Oder: Kassel und die Antisemitismuskontroverse um die documenta fifteen (Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft) |
05 I 2022 | NS-Vergangenheiten der documenta-Akteur:innen. Ein Werkstattbericht (Universität Kassel) |
11 | 2023 | Symposium: Die documenta fifteen als Zäsur? Kunst, Politik, Öffentlichkeit, Kassel | |
06 | 2023 | Kunst und Kultur zwischen 1945 und 1955. Interdisziplinarität in der Praxis. Ein experimenteller Workshop, Kassel | |
06 | 2022 | In der Reihe „Vergiftete Verhältnisse“: Kunst und Gesellschaft in Italien und Deutschland: Antifaschismus oder Postfaschismus, Gespräch mit Claudia C. Gatzka, Kassel | |
05 I 2022 | In der Reihe „Vergiftete Verhältnisse“: Der Fall Haftmann: Aus Täterschaft zum Erfolg, Gespräch mit Vincenza Benedettino und Carlo Gentile, Kassel | |
05 | 2022 | NS-Vergangenheiten und Kontinuitäten von Kunstinstitutionen, Kassel (mit Prof. Dr. Felix Vogel) | |
11 I 2018 | Es ist nicht alles gesagt. Ein Workshop zur DDR-Forschung, Berlin (mit Dr. Steffi Brüning) |