Phänomenologische Vignettenforschung im Tanz
Watchin‘ Dance
Mit dem Projekt Watchin‘ Dance wollen wir mit der phänomenologischen Vignettenforschung einen Beitrag zur Methodenentwicklung und -diskussion in der tanz-, sport- und musikpädagogischen Forschung leisten. Wir sehen in der Methode eine Chance, dem gewählten Forschungsgegenstand der Tanzrezeption konstruktiv zu begegnen.
In den in dem Projekt verfassten Vignetten werden besondere Momente der Affiziertheit, Betroffenheit oder auch Widerständigkeit bei der Tanzrezeption erfasst. Es sind vor allem körperliche und verbale Reaktionen der Jugendlichen auf die Tanzaufführung sowie Interaktionen zwischen den Schüler:innen von Interesse.
Ziel des Projekts ist es differenzierte Erkenntnisse über Rezeptionserfahrungen von Jugendlichen mit zeitgenössischem Tanz zu erhalten und daraus entsprechende Bildungspotenziale von Tanzrezeption abzuleiten. Dabei stehen folgende Forschungsfragen im Mittelpunkt:
- Welche Rezeptionsweisen zeigen Jugendliche bei dem Besuch eines zeitgenössischen Tanztheaters?
- Wodurch werden die Jugendlichen angesprochen bzw. irritiert (z.B. Bewegungsformen, musikalische Aspekte, Inszenierung)?
- Wie können sie sich auf das (Tanz-)Theaterereignis einlassen?
- Welche Rolle spielt die Musik?
- Wie antworten die Jugendlichen auf den Tanz?
- Was sind das für (ästhetische) Erfahrungen bzw. welche Dimensionen ästhetischer Erfahrungen bei der Tanzrezeption können konkretisiert werden?
Projektbeschreibung
Für das Projekt begleiteten wir in der Spielzeit 2023/2024 zwei Schüler:innengruppen zu Tanzaufführungen am Staatstheater Kassel. Die Schüler:innen waren zwischen 15 und 17 Jahren alt und besuchten verschiedene Schulen in Kassel. Sie haben unterschiedliche praktische wie rezeptive Vorerfahrungen mit (zeitgenössischem) Tanz.
Den Beginn machten 15 Jugendliche mit dem Stück „Der Nussknacker | The Nutcracker | De Notenkraker“ von den United Cowboys (Niederlande). Die Schüler:innen waren zwischen 16 und 17 Jahre alt und besuchten zu dem Zeitpunkt des Theaterbesuchs die Stufe 11 eines Gymnasiums.
Mit den Jugendlichen der zweiten Gruppe sind wir zu dem Stück „Winterwende | Winter Solstice; Barocke Visionen für das Ende der Zeit“ von Kristel van Issum (Niederlande) und von Anat Oz (Israel) gegangen. Die Schüler:innen waren zwischen 15 und 16 Jahre alt und besuchten zu dem Zeitpunkt des Theaterbesuchs eine zehnte Klasse einer Kasseler Gesamtschule.
Werkbeschreibung Staatstheater Kassel
Die Jugendlichen wurden bei allen Aufführungen jeweils von drei bis vier Vignettenschreiberinnen begleitet. Die Forscherinnen protokollierten über das gesamte Stück individuelle Wahrnehmungen, Eindrücke und Besonderheiten zu den Jugendlichen, dem Bühnengeschehen und zum Publikum. Vor allem wurden dabei die „miterfahrene Erfahrung bzw. die intersubjektiven Wahrnehmungs- und Erfahrungsmomente, von denen die Vignettenschreibenden im Feld (in der Forschungssituation) affiziert ‚getroffen‘ [worden sind]“ (Agostini et al. 2023, S. 41) festgehalten. Die Erfahrungen wurden im Anschluss an das Stück in Rohvignetten (einem Erstentwurf) eingefangen. In einem folgenden intersubjektiven Austausch wurden die Rohvignetten validiert und zu Vignetten verdichtet.
Zu den entstandenen Vignetten folgen Vignetten-Lektüren, die die zentralen Erfahrungen in den Vignetten herausarbeiten, mit theoretischen Bezügen verknüpfen und daraus zu gewinnende Erkenntnisse, zu Rezeptionserfahrungen von zeitgenössischem Tanz, aufzeigen.