Projektbeschreibung
Rezeption als ein Bereich ästhetisch-kultureller Bildung erfordert eigene Stellungnahmen zu künstlerischen Produkten, Urteilsbildungen und Artikulationen. Im Tanz als leiblich fundierter Kunstform liegen dabei besondere Potenziale.
Zeitgenössischer Tanz
Der derzeit an Theatern dominierende zeitgenössische Tanz ermöglicht eine kritische Positionierung gegenüber „Standards und Normen“ (Brandstetter, o.J.) und greift aktuelle politische Themen, „wie zum Beispiel Migration, Fragen der Identität, der Fremdheit“ (ebd.) auf. Damit bietet der zeitgenössische Tanz für Jugendliche, die sich in der konflikthaften Phase der Adoleszenz befinden, ein Feld zur kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen, mit Rollen- und Weltbildern, Identitätsentwürfen und Körperlichkeit.
Ähnlich wie die Rezeption von Lyrik eröffnet der oftmals als sperrig empfundene zeitgenössische Tanz außerdem ein Experimentierfeld für den Umgang mit Ambiguität und Vieldeutigkeit. Dabei ist davon auszugehen, dass bei entsprechender Hinführung und Vorbereitung auch der vermeintlich schwer verständliche zeitgenössische Tanz für Jugendliche zugänglich wird. Die Frage nach der Zugänglichkeit von Tanzaufführungen an Bühnen ist nicht zuletzt unter dem Aspekt der kulturellen Teilhabe hoch relevant.
Studien konstatieren, dass kulturelle Teilhabe eng mit der formalen Bildung der Eltern in Zusammenhang steht (z.B. Keuchel & Larue, 2012). Trotz zahlreicher bildungspolitischer Initiativen hat nur eine kleine Bevölkerungsgruppe Zugang zu staatlichen Kultureinrichtungen und nutzt diese regelmäßig (Renz, 2016). Das gilt auch für die Rezeption von Tanz bei Jugendlichen. Um bei der Rezeption von Tanz unterstützen zu können, ist es notwendig, forschungsbasiert Kenntnisse zu generieren, um darauf gezielt bildungspraktisch (z.B. in Schulen, Kultureinrichtungen, Lehrer*innenbildung) reagieren zu können. Hierzu möchte das Projekt Watchin‘ Dance einen Beitrag leisten.
Neben der Rezeption von Bühnentanz gewinnt in der ‚postdigitalen‘ Gesellschaft Tanz im virtuellen Raum für junge Menschen an Bedeutung (Steinberg et al., 2019). Kommerzielle Plattformen wie Youtube oder TikTok haben hier zunehmend großen Einfluss und die Rezeption von Tanzclips und -videos auf diesen Plattformen ist ein wichtiger Trend bei Jugendlichen. Bislang ist allerdings auch erst wenig über die Spezifika sich verändernder tänzerischer (rezeptiver) Praxen durch Digitalisierung bekannt.
Das Projekt
Insgesamt geht es in dem Projekt daher darum, zu identifizieren, mit welchen speziellen Rezeptionsweisen und Bildungserfahrungen Jugendlicher und junger Erwachsener die Rezeption von Tanz in analogen und digitalen Räumen einhergeht und wie Rezeptionsprozesse im Sinne der Ermöglichung von kultureller Teilhabe unterstützt werden können.
Methodologisch knüpft das Projekt an das Paradigma Qualitative Forschung an und bedient sich verschiedener interpretativer Methoden. Um den individuellen Rezeptionserfahrungen und Bildungsprozessen auf die Spur zu kommen, wird ein Mixed-Method-Design aus Interviewforschung und phänomenologischer Vignetten- und Anekdotenforschung (Baur & Schratz, 2015) gestaltet.