Buchkunst 1
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Vitrine 4
Einführung
Zwischen der Entstehungszeit der Handschriften in dieser Vitrine liegen etwa 250 Jahre, in denen die kulturellen Spuren der Spätantike verwischen und sich die Epoche des Hochmittelalters mit neuen gesellschaftlichen und kulturellen Herausforderungen ankündigt.
So weisen die in der Karolingerzeit im Westfrankenreich entstandene ‚Trierer Apokalypse‘ [12] und der ‚Stuttgarter Bilderpsalter‘ [13] (aus St. Germain-des-Prés) in ihrer Bildsprache partiell noch zurück auf altchristliche, wohl römische Vorbilder, und schlagen damit Brücken zwischen Spätantike und Frühem Mittelalter.
Zeitlich am Übergang zwischen Früh- und Hochmittelalter stehen hingegen das ‚Evangeliar Ottos III.‘ [14], das einen Höhepunkt ottonischer Buchmalerei aus der berühmten Malschule von Kloster Reichenau markiert, sowie der in Malstil, Farbigkeit und Bildgestaltung deutlich abweichende ‚Apokalypsen-Kommentar‘ des Beatus von Liébana [12] aus der Gascogne, der erstaunlicherweise nur wenige Jahre später entstanden ist.
Objekte
Vitrine 4, Objekt 12
[12] Apokalypse des Johannes (Trierer Apokalypse)
um 800
West- oder Nordfrankreich
Sieg des apokalyptischen Reiters – fol. 64r (rechte Seite)
Original: Trier, Wissenschaftliche Bibliothek, Ms. 31 4°
– Faksimile: ADEVA, Graz 1974
Vitrine 4, Objet 13
[13] Stuttgarter Bilderpsalter
820 – 830
Abtei St. Germain-des-Prés (Paris)
Auszug aus Ägypten – fol. 89v (linke Seite)
Übergabe der Gesetzestafeln – fol. 90r (rechte Seite)
Original: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod.Bibl.fol. 23
– Faksimile: Graphische Kunstanstalten Schreiber, Stuttgart 1965
Vitrine 4, Objekt 14
[14] Evangeliar Ottos III.
um 1000
Kloster Reichenau
Jüngling von Nain: Auferweckung – fol. 155v (linke Seite)
Original: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4453
– Faksimile: Müller & Schindler, Stuttgart 1977-1978
Vitrine 4, Objekt 15
[15] Beatus von Liébana: Apokalypse (Codex von Saint Sever)
um 1038
Abtei Saint Sever (Gascogne)
Aussendung des Johannes – fol. 31v (linke Seite)
Original: Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. lat. 8878
– Faksimile: Citadelles & Mazenod, Paris 2022
Vitrine 5
Einführung
In die Kunst des Hoch- und Spätmittelalters treten wir über mit drei Codices aus der Gotik, die den Bogen spannen zwischen Schreib- und Malwerkstätten Norditaliens [16] und des mitteldeutschen Raumes [18] aus dem 13. Jahrhundert sowie zu der von König Wenzel IV. um 1400 für sein Bibelprojekt [17] an den Prager Hof berufene temporäre Arbeitsgemeinschaft internationaler Buchkünstler.
Diese Handschriften stoßen insbesondere hinsichtlich ihres prachtvollen Buchschmucks in neue Kategorien opulenter buchkünstlerischer Gestaltung vor und widerspiegeln auf diese Weise die Macht- und Repräsentationsanspruch ihrer Auftraggeber.
Während die Handschrift des ‚Neuen Testaments‘ und der ‚Landgrafenpsalter‘ auf textlicher Ebene allerdings ganz im Bereich des für diese Textsorten üblichen und lang gewohnten bleiben, setzt diesbezüglich die Wenzelsbibel ebenfalls neue Maßstäbe. Bei ihr handelt es sich um die erste deutschsprachige Übersetzung der lateinischen Vulgata (der im Mittelalter verbreiteten Fassung der lateinischen Bibel), die nicht nacherzählend ist, sondern den Text Wort-für-Wort in die Volkssprache überführt.
Objekte
Vitrine 5, Objekt 16
[16] Neues Testament
1. Hälfte 13. Jahrhundert
Verona
Geburt Jesu – fol. 43r (rechte Seite)
Original: (Rom) Vatikanstadt, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat.Lat.39
– Faksimile: Belser-Verlag, Zürich 1984
Vitrne 5, Objekt 17
[17] Wenzelsbibel
1389 – 1400
Prag
‚In Principio‘-Initiale – fol. 2v (linke Seite)
Original: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vindob. 2759(-2764)
– Faksimile: ADEVA, Graz 1981-1987, Bd. 1: Genesis und Exodus, Bl. 1-98
– Digitalisat der Österreichischen Nationalbibliothek
Vitrine 5, Objekt 18
[18] Landgrafenpsalter
1211 – 1213
Raum Thüringen - Sachsen
Himmelfahrt Christi – fol. 109v (linke Seite)
Original: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek,
HB II 24
– Faksimile: ADEVA, Graz 1992
Vitrine 6
Einführung
An der Wende zum 13. Jahrhundert werden die in der Literatur bislang dominierenden lehrhaften theologischen Stoffe und Themen auch im deutschprachigen Raum zunehmend abgelöst durch romanhafte Erzählungen wie den ‚Willehalm‘ des Wolfram von Eschenbach [20]. Diese Texte waren in der Regel in der Volkssprache und nicht in Latein verfasst. Damit reagierte der Buchmarkt unter anderem auf das wachsende Interesse des nicht klerikalen, städtisch-patrizischen und adeligen Publikums an der Nutzung und dem Erwerb von Büchern.
Mit der Zeit gewannen dabei zunehmend auch Texte an Bedeutung, die man heute dem Bereich der ‚Sachliteratur‘ zuordnen würde. So beispielsweise, das um 1260 von Brunetto Latini, dem Lehrer Dantes, in Französisch verfasste ‚Buch der Schätze‘ [19]. In dieser Enzyklopädie versammelte Latini ebenso geographisch-naturkundliches wie philosophisch-theologisches Wissen der Zeit und griff Themenbereiche der Politik und Rhetorik auf.
Die Kunst der Jagd ist hingegen das Thema im ‚Jagdbuch des (fiktiven) Königs Modus‘ [21], dem ersten ‚Sachbuch‘ über die Jagd in französischer Sprache, das 1370 von dem normannischen Adeligen Henri de Ferrières für seine Standesgenossen verfasst worden war.
Objekte
Vitrine 6, Objekt 19
[19] Buch der Schätze (Le livre du Trésor)
um 1270
Frankreich
Kaiserkrönung Karls des Großen – fol. 24r (rechte Seite)
Original: St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek,
Fr. F. v. III, Nr. 4
– Faksimile: M. Moleiro, Barcelona 1999
Vitrine 6, Objekt 20
[20] Wolfram von Eschenbach: Willehalm
um 1320
Wien oder Wiener Neustadt
Terramers Abzug von Oransche – fol. 182r (rechte Seite)
Original: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vindob. 2670
– Faksimile: ADEVA, Graz 1974
Vitrine 6, Objekt 21
[21] Jagdbuch des Königs Modus (Le livre du Roy Modus)
1455
Burgund
Die Falknerei – fol. 61r (rechte Seite)
Original: Bibliothèque Royale, Brüssel, Ms. 10218
– Faksimile: ADEVA, Graz, 1989 –