E-Bike fürs Wasser
Ein Ruderboot ohne Riemen, vermeintlich falschherum fahrend – im vergangenen August war die Fulda Schauplatz einer Weltpremiere. Gemeint ist nicht der Zissel, das Kasseler Fluss-und Volksfest gibt es seit fast 100 Jahren. Gemeint ist ein seltsames Gefährt, das sich in diesem Jahr in das Drachenbootrennen mischte
Erfunden hat das Stück Clemens Hoffmann, Professor für Integrierte Energiesysteme und Gelegenheits-Wassersportler. Ein Ausflug auf der Lahn mit seinem Sohn vor zehn Jahren gab den Anlass für die Inspiration: „Wir mussten die Kanus zurückgeben und waren spät dran. Es war mühsam, sich die letzten Kilometer voranzukämpfen. Ich dachte: Das muss doch schneller und einfacher gehen.“ Seine Idee: Die Power eines Ruderboots mit der Wendigkeit eines Kanus zu verbinden.
Herausgekommen ist Hoffmanns inzwischen patentiertes „e-Rowboat“, ein Zwitter aus Kanu und Ruderboot mit einem cleveren Antrieb. Nach vielen Jahren Entwicklungszeit hat es beim Zissel-Drachenbootrennen Anfang August seine erste öffentliche Fahrt absolviert. Die Besonderheiten:
- Der Ruderer oder die Ruderin nimmt keine Riemen in die Hand, sondern Hebel, die jeweils mit einem Generator verbunden sind. Es taucht also kein Blatt ins Wasser ein, vielmehr wird mit Muskelkraft, durch das Vor- und Zurückbewegen der Hebel, elektrische Energie erzeugt.
- Diese Energie betreibt einen Jetantrieb, einen Wasserstrahl, ähnlich wie die Düse eines Flugzeugs. Der Antrieb saugt Wasser aus dem Fluss an und schießt es mit hohem Druck am Heck wieder aus. Der Jet fungiert zugleich als Steuerruder, denn mit der Ausrichtung des Strahls lässt sich das Boot auch lenken.
- Für den Vortrieb ist die Sitzposition nun egal; wer rudert, kann nach vorne schauen. Was für Betrachter zunächst irritierend wirkt, macht das Rudern schöner und sicherer.
- Bei Bedarf lässt sich eine Batterie zuschalten, um die Muskelkraft zu unterstützen – ganz so wie bei den E-Bikes, mit denen Seniorinnen und Senioren junge Sportler am Berg spielend abhängen.
Eine der Herausforderungen ist die Entwicklung einer effektiven Stromerzeugung, um die langsame Drehbewegung und das hohe Drehmoment beim Rudern in elektrische Leistung umzuwandeln, berichtet Hoffmann. Die Lösung liegt in einer optimalen Kombination aus Getriebe und Generator, ist er sich sicher.
An seinem Fachgebiet in der Wilhelmshöher Allee hat er dafür, zusammen mit einem internationalen Team von Studenten viel Zeit an einem eigens eingerichteten Prüfstand verbracht.
Für die weitere Optimierung erhofft sich Hoffmann noch Sponsoren aus der Wirtschaft. Außerdem sucht er weitere Studierende, die sich im Rahmen von Bachelor- oder Masterarbeiten an dem Projekt beteiligen. Das Ganze ist mehr als eine Spielerei. Hoffmann sieht Vermarktungschancen im Profi-Sport, weil die Elektronik viele Daten produziert. „Wir können mit dem Gerät die muskuläre Leistung eines Wettkampf-Ruderers sehr genau messen, und dadurch seinen Bewegungsablauf verbessern und den Trainingszustand feststellen.
Aber vor allem im Freizeitbereich hat das e-Rowboat Potenzial, glaubt Hoffmann: „E-Bikes machen das Radfahren für Menschen attraktiv, denen der Sport sonst zu mühsam wäre. Mit dem Rudern kann es genauso sein. Künftig wird für Leute, die bisher nie daran gedacht haben, eine Bootspartie von Kassel nach Hannoversch Münden und zurück attraktiv.“
TEXT Sebastian Mense