Vom Baum zum Bauteil: Bio-Verbundwerkstoff für die Industrie
Um die Steifigkeit von Bauteilen zu erhöhen, nutzt die Auto- und Elektroindustrie bislang meist Glasfasern. Doch das Interesse an Bio-Verbundwerkstoffen, die sich auch für stark beanspruchte Bauteile eignen und diese Glasfasern ersetzen können, ist groß. Im Verbundprojekt „Bio-PPT und Bio-PBT mit Cellulosefaserverstärkung zur leichtbauorientierten Verwendung“ haben die Universität Kassel und das Fraunhofer Institut für angewandte Polymerforschung einen geeigneten Bio-Verbundwerkstoff entwickelt, der auf Zellstoff aus schnellwachsenden Bäumen basiert.
Polytrimethylenterephthalat (PPT) und Polybutylenterephthalat (PBT) zählen zu den technischen Thermoplasten. Statt fossiler Rohstoffe nahmen die Forscher für ihren neuen Verbundwerkstoff nachwachsende Rohstoffe in den Fokus. „Der Grundgedanke war: Wir ersetzen die Glasfaser durch Celluloseregenerat-Fasern, mit dem Effekt, dass das Bauteil leichter wird. Je nachdem wie viele Fasern wir einarbeiten, wiegt das Bauteil bis zu 25 Prozent weniger“, sagt Nicole Gemmeke, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Kassel am Fachgebiet Kunststofftechnik von Prof. Hans-Peter Heim. Sie hat das Projekt betreut.
Bei der Celluloseregenerat-Faser handelt es sich zu 99 Prozent um Zellstoff, der aus schnellwachsenden Bäumen gewonnen wird. Dieser Stoff wird gelöst und chemisch aufbereitet, sodass ein homogenes Material entsteht, das weiterverarbeitet werden kann. Schließlich ist eine gleichbleibende Produktqualität in der Industrie sehr wichtig. Positiver Nebeneffekt: Cellulosefasern haben eine deutlich geringere Dichte als Glasfasern, weshalb sie sich auch für den Leichtbau eignen.
Die Wissenschaftler der Uni Kassel stellten bei ihren Versuchen die Besonderheiten des Bio-Verbundwerkstoffes fest. „Ein klarer Vorteil ist seine Kerbschlagfähigkeit“, sagt Gemmeke. Die celluloseregeneratfaserverstärkten Bio-PPT und Bio-PBT Verbundwerkstoffe sind bis zu dreimal schlagfester als die glasfaserverstärkten Kunststoffe. Das Bauteil würde also bei schlagartiger Belastung beschädigt, aber noch nicht zerstört. „Glasfaserverstärktes Material bricht bei einem spontanen Schlag dagegen mit klarer Kante“, erklärt Gemmeke.
Additive, wie Polyethylenwachs oder Aluminiumphosphat, nehmen auch Einfluss auf die Fließ- oder Flammeigenschaften des Bio-Verbundwerkstoffes. Dadurch kann der Bio-Verbundwerkstoff in allen Bereichen verwendet werden, die eine höhere Anforderung an das Material haben, als der Standardkunststoff bietet.
Das Verbundprojekt hat die Universität Kassel zusammen mit dem Fraunhofer Institut für angewandte Polymerforschung und sechs Unternehmen bearbeitet. Es wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert.
Weitere Informationen unter: www.fnr.de unter den Förderkennzeichen 22033714 und 22017415
Kontakt:
Nicole Gemmeke M. Sc.
Kunststofftechnik: Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Tel.: 0561 804 – 7088
E-Mail: nicole.gemmeke[at]uni-kassel[dot]de