Entstehung und Aufgaben
Nach gängigen Theorien der internationalen Beziehungen bedürfen Rechenschaftsmechanismen von internationale Organisationen (IO) der Mitgliedschaft eines Staates in einer internationalen Organisation. In der Regel erlauben solche Mechanismen die Mitwirkung von nicht-staatlichen Akteuren kaum. Dementsprechend markierte die Struktur des IP für viele Beobachter*innen eine Zäsur. Sie schaffte eine Möglichkeit, durch welche internationale Organisationen von betroffenen Menschen haftbar gemacht werden können. Aber wie kam diese scheinbar einzigartige Organisation zustande?
Das IP wurde 1993 von dem Vorstand der Weltbank ins Leben gerufen. Dies erfolgte nach dem sog. „Narmada Desaster“ der Bank. Das Narmada Valley Development Project, ein Projekt der Weltbank, sah 3200 Stausee-Projekte in Indien vor. Der größte dieser Staudämme war der Sardar Sarovar Stausee in Gujarat. Nach Angaben der Indischen Regierung sollte der Stausee 1.8 Millionen Hektar Land bewässern und sauberes Trinkwasser in durch Dürre geplagte Gegenden bringen. Kritiker behaupteten jedoch, dass rund 300,000 Menschen -die meisten von ihnen Indigene- durch den Stausee ihre Lebensgrundlage verlieren würden; ohne eine angemessene Entschädigung. Das Projekt wurde zwischen 1985 und 1993 von der WB mit US $ 280 Million finanziert. Die “Narmada Bachao Andolan”, eine Graswurzelbewegung, leistete Widerstand und kritisierte die fehlenden Gutachten über die von der Weltbank gesetzten Umwelt- und Sozialstandards. Der Bewegung wurde eine große internationale Unterstützung zuteil, und in 1991 richtete die WB eine unabhängige Kommission ein, um die Anschuldigungen zu prüfen, die erste Kommission ihrer Art in der Geschichte der WB. Die Ergebnisse der Kommission waren überraschend, da sie der Bewegung zustimmten und die WB anklagten die eigenen Richtlinien zu missachten. Die Kommission legte der WB nahe, sich aus dem Projekt zurückzuziehen.
Weniger überraschend war jedoch die Reaktion der Weltbank auf die Empfehlung der Kommission. Sie bereitete einen Plan vor zum Umgang mit den offengelegten Fehlern bei gleichzeitiger Fortführung des Projekts. Im Vorfeld der Jahresversammlung der WB 1992 gab es daraufhin massive Proteste. So stimmte die WB-Direktion einem Aktionsplan zu, welcher über sechs Monate versuchen würde die Probleme des Projekts bei seiner gleichzeitigen Fortführung zu lösen. Als die Probleme ein Jahr später andauerten, kündigte die indische Regierung an, das Projekt ohne die WB weiterzuführen. Nichtdestotrotz waren die Proteste erfolgreich: Im Direktorium schlugen die Vertreter*innen aus den Niederlanden, Deutschland, Malaysia, Chile und der Schweiz einen neuen Rechenschaftsmechanismus bei der WB vor. Der Vorschlag basierte sowohl auf den Geschehnissen bei der Weltbank zu der Zeit, als auch auf den im November 1992 veröffentlichten Ergebnissen des Wapenhans Berichts, der Probleme in den internen Strukturen der Bank aufgedeckt hatte (World Bank 1992). Am 22. September 1993 wurde von der WB-Direktion die Resolution zur Gründung des IP verabschiedet.
Entsprechend dieser Resolution besteht das IP aus drei Mitgliedern, die für nicht erneuerbare Amtszeiten von 5 Jahren vom WB-Direktorium berufen werden. Mitglieder des IP dürfen nach Ablauf ihrer Amtszeit nie wieder für die WB tätig sein. Hauptsitz des IP ist Washington, D.C./USA. Um Unabhängigkeit zu gewährleisten, ist das IP zwar nicht Teil des Direktoriums der WB, dennoch hat es dem Direktorium gegenüber Rechenschaftspflichten. Das IP funktioniert folgendermaßen:
Sie nimmt Beschwerden entgegen, wo eine Vermutung besteht, dass die WB ihre eigenen Sozial- und Umweltstandards verletzt. Zwei oder mehrere Personen, die negativ von einem solchen Projekt betroffen sind, dürfen eine offene, anonyme oder über Stellvetreter*innen übermittelte Beschwerde einreichen.
Sie prüft jede eingegangene Beschwerde und kontaktiert das WB-Direktorium für eine Stellungnahme. Außerdem besucht das IP den jeweiligen Projektstandort, um mit betroffenen Personen zu sprechen.
Sollte die Beschwerde sich als berechtigt erweisen,
reicht das IP einen Bericht beim Direktorium ein und empfiehlt eine Untersuchung.
Wenn dieser stattgegeben wird, besucht das IP den Projektstandort erneut (Untersuchungsbesuch) und reicht anschließend einen Untersuchungsbericht an das Direktorium und den*die WB-Präsident*in ein. Das WB-Direktorium hat dann sechs Wochen Zeit, um Empfehlungen in Reaktion auf den Bericht (Management Response) auszusprechen und zu entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Das IP hat keine Entscheidungshoheit. Die Untersuchungen und Empfehlungen sollten aber stets in der Lage sein, Projekte der WB zu suspendieren, zu verbessen oder zu stoppen, wenn diese Sozial- oder Umweltschäden verursachen.