Empfehlungen für das Verfassen von empirischen Masterarbeiten
Abschnitte
A) Einleitung
In der Einleitung Ihrer Arbeit etablieren Sie zunächst ein Problem. Ein Problem ergibt sich in der Regel aus einer Forschungslücke, also aus fehlendem Wissen. Aber: nicht jedes fehlende Wissen ist ein Problem. Ein Problem muss auch relevant sein; für die Soziale Arbeit, für die Wissenschaft, für die Gesundheitspolitik oder die Gesellschaft. Relevanz ergibt sich nicht aus Ihrem (persönlichen) Interesse oder Ihrer subjektiven Betroffenheit; sondern aus aktuellen wissenschaftlichen, politischen oder gesellschaftlichen Diskursen.
In der Einleitung machen Sie Ihren Ausgangspunkt klar und verorten Ihre Arbeit, indem Sie knapp aufzeigen, (i) um welchen Sachverhalt es geht, (ii) was zu diesem Sachverhalt bekannt ist, und (iii) was noch nicht bekannt ist. Zur Verdeutlichung folgt ein Textbaustein, der beispielsweise so aussehen könnte:
„Ein Ziel von … besteht aktuell darin, … (Quelle). Um dieses Ziel zu erreichen, sind wissenschaftliche Erkenntnisse zu … und … notwendig. Während … diesbezüglich bereits umfassend untersucht wurde (Quelle), liegen bisher nur wenige Studien zu … vor. Deshalb ist derzeit unklar, …. Mit meiner Masterarbeit setze ich an dieser Forschungslücke an...“
Achten Sie darauf, empirische Aussagen (also Tatsachenbehauptungen oder Fakten) mit entsprechenden aktuellen Quellen zu belegen. Bitte referieren Sie möglichst die wissenschaftlichen Primärquellen. Definitionen oder Begriffsbestimmungen verhindern Missverständnisse.
Anschließend formulieren Sie explizit ihre Forschungsfrage(n), also die zentrale(n) Frage(n), die Sie in Ihrer Arbeit beantworten. Das kann zum Beispiel so geschehen:
„In meiner Masterarbeit untersuche ich erstens …. Zweitens prüfe ich …, bevor ich drittens...“
oder so: „Die übergeordnete Fragestellung meiner Masterarbeit lautet: …?“
Beachten Sie die Kriterien für eine „gute Forschungsfrage“ und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, die an anderen Stellen im Studium und in den Methodenhandbüchern vermittelt werden.
Sie können Ihre Einleitung mit einem knappen Ausblick auf den Aufbau und Inhalt der restlichen Qualifikationsarbeit abschließen.
Leitfragen für die Einleitung:
- Mit welchem konkreten wissenschaftlichen, politischen oder gesellschaftlichen Problem befassen Sie sich?
- Warum ist dieses Problem relevant für die Soziale Arbeit? Welches besondere wissenschaftliche und/oder gesellschaftliche bzw. politische Interesse besteht?
- Liegen bereits Studien zu diesem Problem bzw. diesem Sachverhalt vor? Was ist bekannt? Was ist unbekannt?
- Welche konkrete(n) Frage(n) beantworten Sie in Ihrer Arbeit?
B) Hintergrund (auch: Theorie, Forschungsstand)
Im zweiten Abschnitt verorten Sie Ihr Problem bzw. den Sachverhalt, mit dem Sie sich befassen, tiefer im aktuellen Forschungsstand und legen Ihr theoretisches Fundament. Setzen Sie an Ihrer Einleitung an und führen Sie diese weiter aus. Wenn Sie etwa in der Einleitung davon sprechen, dass im Rahmen Ihrer Problemstellung ein Sachverhalt
„[…] bereits umfassend untersucht wurde (Quelle)“
fassen Sie nun zunächst die relevanten Arbeiten zusammen, die diesen Sachverhalt analysiert haben.
Gehen Sie bei der Zusammenfassung relevanter Arbeiten systematisch vor. Finden Sie Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen verschiedenen Arbeiten. Das Gleiche gilt für methodische Ansätze und zentrale empirische Ergebnisse.
Arbeiten Sie anschließend die weiteren Argumente Ihrer einleitenden Motivation aus. Wenn Sie etwa behaupten, dass
„[…] bisher nur wenige Studien zu… vor[liegen]“
zeigen Sie diese (wenigen) Studien, zumindest exemplarisch, auf. Gehen Sie dabei insbesondere auf die Defizite dieser Studien und die sich daraus ergebenden Wissenslücken ein. Nun, da Sie ausführlicher etabliert haben, dass
„deshalb […] derzeit unklar [ist]…“
stellen Sie die theoretische(n) Perspektive(n) dar, aus der Sie Ihre Problemstellung untersuchen. Beziehen Sie sich bei theoretischen Grundlagen immer auf Primärquellen, aber geben Sie die zentralen Annahmen und Kernaussagen in eigenen Worten wieder. Beginnen Sie mit einer abstrakten, allgemeinen Darstellung und konkretisieren Sie diese dann im Hinblick auf Ihre Problemstellung. Wenn etwa in den allgemeinen theoretischen Grundlagen von „Stressoren“ und „Ressourcen“ gesprochen wird, zeigen Sie auf, welche konkreten Aspekte Ihres untersuchten Sachverhalts diesen abstrakten Kategorien entsprechen. Untersuchen Sie etwa Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland während der Corona-Pandemie, könnten Kontaktbeschränkungen zusätzliche „Stressoren“, der Zugang zu Sozialen Netzwerken dagegen „Ressourcen“ sein.
Stellen Sie schließlich auf Basis der vorangestellten empirischen Befunde und theoretischen Ansätze Hypothesen darüber auf, was bezüglich des von Ihnen untersuchten Sachverhalts zu erwarten wäre.
Leitfragen für den Hintergrund:
- Auf welchem Forschungsstand bauen Sie auf?
- Welche theoretischen Grundlagen verwenden Sie in Ihrer Arbeit?
- Welche konkreten Hypothesen überprüfen Sie?
C) Methodisches Vorgehen
In diesem dritten Abschnitt Ihrer Arbeit schlagen Sie eine Brücke zwischen Ihren theoretischen Annahmen und Ihren (empirischen) Ergebnissen. Die Angaben sind für empirische Arbeiten elementar.
Bei reinen Literaturarbeiten ist die Beschreibung einer systematischen Literaturrecherche in wissenschaftlichen Literaturdatenbanken an dieser Stelle wünschenswert.
Für die Gesundheitsforschung bietet das Online-Manual „RefHunter“ eine Fülle von exzellenten Ratschlägen zur systematischen Literaturrecherche in Fachdatenbanken unter: refhunter.eu
Die größte und wichtigste Literaturdatenbank der Medizin ist die PubMed der National Library of Medicine, die online aufrufbar ist unter: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Erklären Sie im Methodenteil nachvollziehbar, wie Sie vorgehen, um die von Ihnen aufgestellten Hypothesen zu prüfen und Ihre Forschungsfrage(n) zu beantworten.
Wenn Sie selbst Daten erheben (wie im Rahmen von Interviews oder bei Fragebogenerhebungen) oder Sekundärdaten auswerten, beschreiben Sie detailliert, über welche Zielpopulation Sie Aussagen treffen und wie Sie zu Ihrer Stichprobe kommen. Gehen Sie auf die verwendeten Erhebungsinstrumente (im Fragebogen/Interviewleitfaden) ein und stellen Sie dar, wie Sie die theoretisch relevanten Konstrukte operationalisieren. Beschreiben Sie dann, wie Sie die Daten auswerten. Bei quantitativen Auswertungen gehen Sie auf die statistischen Methoden ein; bei qualitativen Auswertungen beschreiben Sie Ihren Auswertungsansatz (bspw. die Auswertung erfolgte in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring). Begründen Sie die Wahl Ihres methodischen Vorgehens.
Wenn Sie Ihre Forschungsfrage(n) auf Basis von empirischer Literatur und öffentlichen Statistiken oder Berichten beantworten, stellen Sie ausführlich dar, nach welchen Kriterien Sie Ihre Quellen auswählen. Klare Auswahlkriterien sind auch wichtig, wenn Interventionsansätze oder Projektbeispiele herangezogen werden.
Leitfragen für die methodische Vorgehensweise:
- Wie gehen Sie vor, um die Frage(n) Ihrer Arbeit zu beantworten?
- Warum gehen Sie so vor und nicht anders?
- Welche Literatur (oder Datenquellen) ziehen Sie heran?
- Nach welche Kriterien wählen Sie die Literatur (oder Datenquellen) aus?
D) Ergebnisse
Im Ergebnisteil berichten Sie nun die Befunde, die sich durch das zuvor beschriebene methodische Vorgehen ergeben. Beim Aufbau orientieren Sie sich an der Struktur Ihrer theoretischen Argumentation im Abschnitt „Hintergrund“ (vgl. oben). Greifen Sie Ihre Argumente und Hypothesen besser in der gleichen Reihenfolge auf, in der Sie zuvor eingeführt wurden.
Die Ergebnisse werden in diesem Abschnitt in erster Linie berichtet. Das bedeutet, dass unbedingt die konkreten Zahlen und Kennwerte darzustellen oder zentrale Textstellen als wörtliche Zitate anzuführen sind. Umgekehrt und etwas überspitzt ausgedrückt, müssen die Ergebnisse prinzipiell auch unabhängig von Ihrer verbalen Interpretation alleine aus den Zahlen, Kennwerte und Textstellen nachvollziehbar sein.
Sofern Sie sich auf Ergebnisse anderer empirischer Studien stützen, können Sie im Bedarfsfall in Erwägung ziehen, zentrale Ergebnistabellen oder Grafiken in Ihre Arbeit einzubinden. Abbildungen oder Tabellen sollten aber in der Darstellung einen Mehrwert erbringen und eher sparsam eingesetzt werden. Die Integration erfolgt selbstverständlich mit Überschrift, Quellenangabe und als „eigene Darstellung nach Hinz und Kunz (Jahr)“. Auch bei öffentlichen Statistiken bieten sich zentrale Tabellen als Darstellungsform an. Sie sollten selbst erstellt werden (Screen Shots sind unprofessionell).
Prinzipiell ist der Ergebnisteil nicht der Ort für ausführliche Diskussionen, die in den nachfolgenden Abschnitt gehören. Insbesondere sollten hier keine Argumente oder Erklärungen auftauchen, die nicht zuvor im theoretischen Teil diskutiert wurden. Eine Ausnahme stellen unerwartete Ergebnisse dar, sofern sie theoretisch oder praktisch relevant sind. In diesem Fall sind knappe ad-hoc Erklärungsansätze mit Verweis auf ausstehende Prüfung erlaubt und werten die Arbeit tendenziell sogar auf.
Leitfragen für Ergebnisteil:
- Welche Ergebnisse finden Sie, die auch von anderen nachvollzogen werden können?
- Welche Hypothesen werden bestätigt, welche Hypothesen müssen verworfen werden?
- Gibt es unerwartete Ergebnisse und mögliche ad-hoc Erklärungen?
E) Diskussion
Den letzten Abschnitt Ihrer Arbeit können Sie auch mit einer kurzen Zusammenfassung beginnen. Beziehen Sie sich wieder auf Ihre Einleitung. Wiederholen Sie in wenigen Sätzen den Ausgangspunkt und die zentrale(n) Fragestellung(en). Nennen Sie dann die theoretischen Ansätze, ohne aber die Theorien erneut zu erläutern, und paraphrasieren Sie Ihre Hypothesen als knappe Auflistung. Fassen Sie unter Einbezug Ihres methodischen Vorgehens, dass Sie an dieser Stelle nicht erneut erläutern, Ihre Hauptergebnisse zusammen. Gehen Sie dabei nur dann erneut auf einzelne Hypothesen ein, wenn diese klar abgrenzbaren Aspekte Ihrer Forschungsfrage(n) betreffen. Schließlich beantworten Sie explizit die Forschungsfrage(n) Ihrer Qualifikationsarbeit. Zur Verdeutlichung folgt ein entsprechender Textbaustein, der in etwa so aussehen könnte:
„Ausgehend von … bin ich in meiner Masterarbeit der Frage nachgegangen …. Aus Perspektive der Theorie lässt sich erwarten, dass … und …. Mittels … konnte ich zeigen, dass …, während … nur teilweise bestätigt wurde und sich … nicht bestätigt hat. Insgesamt ist die Frage nach … vor diesem Hintergrund mit … zu beantworten.“
Schließen Sie der Zusammenfassung nun die Diskussion an. Dabei setzen Sie Ihre Ergebnisse zunächst ins Verhältnis zu anderen relevanten Studien. Erörtern Sie, wo Ihre Ergebnisse frühere Studien bestätigen und wo sie von den Ergebnissen früherer Studien abweichen. Diskutieren sie mögliche Gründe für andere Ergebnisse und gehen Sie auf mögliche Konsequenzen ein. Stellen Sie anschließend besonders die Stärken Ihrer Arbeit heraus und zeigen Sie auf, inwiefern Ihre Arbeit die bestehende Literatur erweitert. Nennen Sie aber unbedingt auch Einschränkungen und Grenzen Ihrer Arbeit und die methodischen Limitationen. Konzentrieren Sie sich auf wenige zentrale Kritikpunkte und schlagen Sie mögliche Lösungsansätze vor.
In der Diskussion der empirischen Analysen sollten Sie reflektieren, inwieweit die Gütekriterien der empirischen Sozialforschung in Ihrer Forschungsarbeit erfüllt wurden. Hinsichtlich qualitativer Forschungsarbeiten sollte in der Diskussion auch eine Reflexion der „Rolle des Forschenden“ erfolgen und diskutiert werden, welchen möglichen Einfluss die interviewende Person auf die Erhebungssituation hatte.
Abschließend können Sie die Relevanz Ihrer Problemstellung für die Soziale Arbeit, für die Wissenschaft, für die (Gesundheits-)Politik oder die Gesellschaft wieder aufgreifen. Ziehen Sie entsprechende Schlussfolgerungen aus Ihren Ergebnissen, benennen Sie praktische Implikationen und deuten Sie an, welche Forschungsfrage(n) sich aus wissenschaftlicher Fachperspektive anschließen. Ein Fazit rundet die Arbeit ab.
Leitfragen für den Diskussionsteil:
- Was waren Ausgangspunkt, zentrale(n) Fragestellung(en) und Ziel(e) Ihrer Arbeit? Aus welcher theoretischen Perspektive sind Sie mittels welchem methodischen Vorgehens zu welchen Ergebnissen gekommen? Und, wie beantworten Sie Ihre Forschungsfrage(n)?
- In welchem Verhältnis stehen Ihre Befunde zu Ergebnissen und Schlussfolgerungen früherer Studien?
- Wirft Ihre Arbeit neue Fragen auf?
- Welche Stärken hat Ihre Arbeit? Wo liegen ihre Grenzen und wie lassen sie sich zukünftig überwinden?
- Welche praktischen Implikationen leiten sich aus Ihren Ergebnissen ab?
Der Fachbereich „Humanwissenschaften“ hat einen konsentierten Beurteilungsbogen für schriftliche Arbeiten, der auch im Sinne einer Checkliste genutzt werden kann. Außerdem ist abschließend darauf hinzuweisen, dass sämtliche schriftliche Ausarbeitungen eigenständige Leistungen im Sinne der Prüfungsordnungen sein müssen (und hinsichtlich Plagiate stichprobenweise spezielle Erkennungssoftware im Fachgebiet eingesetzt wird).
Viel Erfolg bei Ihrer Abschlussarbeit!
F) Außergewöhnlich interessante Bachelor- und Masterarbeiten mit Gesundheitsbezug
Für „außergewöhnlich interessante Bachelor- und Masterarbeiten mit Gesundheitsbezug“ offeriert die Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e. V. (DVSG) das Angebot, sie mit Abstract in einer eigenen Datenbank zu erfassen und ggf. die Ergebnisse zu veröffentlichen:
Eine weitere Möglichkeit für hervorragende Abschlussarbeiten wäre die Einreichung bei einem Wissenschaftspreis.
Der Master-Preis der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP):
https://www.dgsmp.de/die-gesellschaft/preise-und-ausschreibungen/
BSH und FBTS verleihen ebenfalls einen Förderpreis für herausragende Abschlussarbeiten in der Sozialen Arbeit:
https://www.fbts-ev.de/f%C3%B6rderpreis
Eine passende Möglichkeit für die Veröffentlichung von sehr guten Bachelor- und Masterarbeiten stellt auch das Open Access-Angebot von „socialnet Materialien“ dar: