»Im Westen nichts Neues« von Edward Berger: Ein Film ohne Gnade
Im Westen Nichts Neues stellt die nunmehr dritte Verfilmung des gleichnamigen deutschen Literaturklassikers von Erich Maria Remarque dar. Die unter der Regie von Edward Berger gedrehte und in Deutschland, Großbritannien sowie den Vereinigten Staaten produzierte Verfilmung feierte im September 2022 beim Toronto International Film Festival ihre Premiere. Zudem wurde der Film von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in neun Kategorien für einen Oscar nominiert – darunter unter anderem auch in der Kategorie Bester Film.
Der Erste Weltkrieg wütet bereits seit zweieinhalb Jahren auf den Schlachtfeldern Europas. Viele Bürger Deutschlands, darunter zumeist junge Männer, melden sich im Zuge der vom Deutschen Kaiserreich verbreiteten Kriegspropaganda freiwillig zum Kriegsdienst. Häufig erwarten sie mit dem Ableisten des Dienstes an der Front den Einzug in ein Abenteuer und hoffen, dass sie nach ihrer Wiederkehr in die Heimat als Helden gefeiert werden. Auch der 17-jährige Paul Bäumer (Felix Kammerer) und seine Freunde melden sich nach der Empfehlung ihres Lehrers zur Rekrutierung und werden ohne weiteres zur Musterung aufgenommen. Relativ schnell wechselt der Film die Szenerie vom recht idyllisch und ruhig dargestellten Deutschen Kaiserreich zur vom Niemandsland und Grabenkrieg geprägten Westfront in Frankreich. Hierbei erfährt der Freundeskreis um Bäumer schnell, dass es sich dabei nicht um das erhoffte Abenteuer sondern vielmehr um einen Kampf auf Leben und Tod handelt.
Auch wenn die Verfilmung der literarischen Vorlage in vielen Aspekten nicht nachkommt, funktioniert sie dennoch wunderbar als Spiegel des Ersten Weltkrieges – wenn auch nur aus deutscher Sicht. Bereits zu Beginn von Im Westen Nichts Neues werden Gewaltdarstellungen und anderweitig einschneidende Erlebnisse inszeniert. Lässt man sich auf den Film ein, bewirken diese beiden Aspekte ein Gefühl, wie es sonst nur wenige bis nahezu keine anderen Bewegtbilder schaffen. Die Kombination aus originalgetreuen Kostümen und realistischen Szenerien machen den Film zudem sehr glaubwürdig, was die vorher genannten Aspekte der Gewalt und Traumatisierung durchaus unterstützt und ihre Wirkung umso präsenter macht.
Abseits der von Paul Bäumer erlebten körperlichen und psychologischen Brutalität des Großen Krieges werden zudem einige Szenen präsentiert, in welchen der Reichstag- Politiker Matthias Erzberger (Daniel Brühl) Friedensverhandlungen mit dem französischen General Ferdinand Foch (Thibault de Montalembert) abhält. Auch in diesen Szenen geht es keinesfalls ruhig her: Sie funktionieren auf verbale Weise als Gewaltdarstellung. Zudem werden anhand der Verhandlungen die Spannungen zwischen den Deutschen und den Franzosen sehr glaubhaft dargestellt. Dies resultiert in Kombination mit den visuell auch für die Zuschauenden sehr eindrücklichen Erlebnissen, welche Paul Bäumer im Rahmen seines Einsatzes an der Westfront erlebt, in einem Film, wie es ihn nie zuvor aus deutscher Produktion gegeben hat.
Zusammenfassend kann behauptet werden, dass Im Westen nichts Neues wohl zurecht als einer der erfolgreichsten deutschen Filme in die Bewegtbildgeschichte eingehen wird. Wie kein anderer Film schafft es die auch auf Netflix verfügbare Verfilmung die Gefühle der Soldaten des Ersten Weltkrieges glaubwürdig einzufangen und zu präsentieren, was vor allem durch die schauspielerische Leistung Felix Kammerers unterstützt wird. Gerade in Anbetracht des immer noch anhaltenden Ukrainekrieges sollte man sich diesen Film unbedingt anschauen. Auch wenn er den Ersten Weltkrieg behandelt, kann man die hier dargestellte Grausamkeit der Kampfhandlungen wohl auf ähnliche oder gar gleiche Weise auf den Krieg in der Ukraine beziehen und so versuchen nachzuvollziehen, wie sich die Menschen fühlen, die unter dem Krieg leiden müssen.