Maschinelles Lernen für dynamische Systeme

Hintergrund

Die Bedeutung nichtlinearer Schwingungen nimmt in der industriellen Anwendung immer weiter zu.  Diese Schwingungen treten immer dann auf, wenn die Materialeigenschaften, die betrachtete Geometrie oder die Kinematik zu nichtlinearem Verhalten führen. Eine wichtige Rolle spielen Komponenten, die einer äußeren Anregung ausgesetzt sind und so (nichtlineare) Schwingungen zeigen. Prominente Beispiele sind Komponenten in der Automobilindustrie, welche  durch die Fahrbahn oder durch Vibrationen von Elektro-Motor/ Verbrennungskraftmaschine angeregt werden.
Um die Dynamik dieser Systeme zu beschreiben, ist entweder eine komplexe FEM Modellierung mit zum Teil schwierig zu bestimmenden Materialmodellen oder eine aufwendige Ableitung von Minimalmodellen nötig.
Einen anderen Ansatz bieten hier moderne Verfahren des maschinellen Lernens und Deep Learnings: Diese bieten die Möglichkeit, aus vorhandenen Messdaten das Systemverhalten zu extrahieren und für zukünftige Messungen vorherzusagen. Der bekannteste Vertreter des maschinellen Lernens sind sogenannte Neuronale Netze, welche von der neuronalen Struktur in biologischen Gehirnen inspiriert sind. Diese können als ein universeller Funktionsapproximator angesehen werden und könnten daher in der Lage sein, Systemeigenschaften datengetrieben zu extrahieren und anschließend zukünftiges Verhalten vorherzusagen.

Ziel der Forschung ist die Anwendung Neuronaler Netze auf die Vorhersage des dynamischen Systemverhaltens mit einem Fokus auf erzwungenen nichtlinearen Schwingungen und die Entwicklung eines Soft Sensors, welcher das Transferverhalten zwischen Anregung und Verhalten beschreibt.

Methodik

Im Mittelpunkt steht die Verwendung Neuronaler Netze zur Beschreibung des Transferverhaltens. In einem ersten Schritt wird das Verfahren anhand einfacher akademischer Beispiele untersucht (s. unten). Dabei soll aus einer bekannten Anregung f(t) auf die Systemantwort x geschlossen werden. Neuronale Netze werden über einen gradientenbasierten Trainingsalgorithmus an gegebene Daten angepasst.
 

Die Animation zeigt den Trainingsfortschritt eines Autoregressiven Neuronalen Netzes (ARNN) über die einzelnen Epochen an. Als Trainingsdaten wurde das Systemverhalten bei einer Anregung mittels weißem Rauschen verwendet. In vielen  Simulationen lässt sich eine sehr gute Approximation mittels des ARNN zeigen, sowie eine gute Extrapolationsfähigkeit zu strukturell unterschiedlichen Anregungen.

Praktische Anwendung

Neben dem gezeigten akademischen Beispiel wird auch die praktische Anwendung betrachtet. Komponenten in Automobilen sind im Feld ständig äußeren Einflüssen von Straße und Motor ausgesetzt. Das Transferverhalten zwischen den Belastungen auf Fahrzeuglevel (Anregung) und der einzelnen Komponente (Systemantwort) wird in aufwändigen Versuchen gemessen. Neben dem komplexen Transferpfad durch komplexe Geometrien mit unterschiedlichen Bauteileigenschaften ist die multidimensionale Anregung und Systemantwort eine große Herausforderung.

Die Verwendung eines Neuronalen Netzes zu Beschreibung des Transferverhaltens zeigt in ersten Experimenten vielversprechende Ergebnisse und approximiert die Systemantwort bei vielen Manövern besser als klassische lineare Methoden zur Transferpfadmodellierung.

1) Westmeier, T., Kreuter, D., Bäuerle S. & Hetzler, H. (2022) Data driven prediction of forced nonlinear vibrations using stabilized Autoregressive Neural Networks, Proceedings in Applied Mathematics and Mechanics (PAMM) - accepted.
2) Kemmler, S., Kreuter, D. & Westmeier, T. (2022) Accelerated vibration testing: Implementation of soft sensors for shaker profile derivation, International Conference on Noise and Vibration Engineering (ISMA), Leuven, Belgium.