Quasiperiodische Schwingungen
Hintergrund
Quasiperiodische Schwingungen treten infolge der Überlagerung von Schwingungen mit inkommensurablen (d.h. rational unabhängigen) Frequenzen auf. In der Praxis ist dies oft auf eine simultane Selbst- und Fremderregung zurückzuführen, bei welcher die Selbsterregungsfrequenz durch die nichtlineare Eigendynamik bestimmt ist, während die Frequenz der Fremderregung dem System von außen aufgeprägt wird. Sind beide Frequenzen näherungsweise kommensurabel kann es zur Synchronisation kommen und die Systemantwort wird periodisch - im allgemeinen Fall resultiert jedoch eine quasiperiodische Schwingung. Typische Anwendungsbeispiele stammen aus der Rotordynamik, Laserdynamik und Populationsdynamik.
Im Gegensatz zu periodischen Lösungen lassen sich quasiperiodische Lösungen nicht direkt durch numerische Methoden wie z.B. das Shooting-Verfahren berechnen, da sie aufgrund der inkommensurablen Basisfrequenzen keine endliche Periodendauer besitzen. In der Mathematik wurden zwar bereits geeignete Verfahren zur Beschreibung quasiperiodischer Schwingungen entwickelt, jedoch bislang kaum zur Untersuchung von Ingenieuranwendungen eingesetzt. Im aktuellen Fokus stehen am Fachgebiet daher die Untersuchung und Validierung verschiedener Methoden zur numerischen Berechnung quasiperiodischer Lösungen.
Neben der Berechnung von quasiperiodischen Lösungen ist in der Praxis ebenfalls die Untersuchung des Stabilitätsverhaltens von großem Interesse. Auch hier besteht das Problem, dass die von periodischen Lösungen bekannten Standardmethoden zur Stabilitätsanalyse nicht ohne Weiteres auf quasiperiodische Lösungen angewendet werden können. Das Fachgebiet beschäftigt sich daher ebenfalls mit der Entwicklung von Methoden und Algorithmen zur effizienten Berechnung der Stabilität quasiperiodischer Lösungen.
Methodik
Die am Fachgebiet verwendeten Berechnungsmethoden bauen darauf auf, dass die Oberfläche eines zweidimensionalen Torus durch eine quasiperiodische Trajektorie mit fortschreitender Zeit dicht ausgefüllt wird. Dieser Torus stellt im Zustandsraum eine invariante Mannigfaltigkeit dar und lässt sich als donutförmiges Objekt veranschaulichen (siehe Bilder oben). Mithilfe einer Parametrisierung in Toruskoordinaten (die sogenannte "Hyperzeit-Parametrisierung") ist es möglich, den zugrundeliegenden Torus als Lösung eines partiellen Differentialgleichungssystems berechnen. Hierdurch wird die Problematik der "unendlich langen Periodendauer" einer quasiperiodischen Lösung umgangen. Gleichzeitig werden durch den berechneten Torus alle möglichen Systemzustände abgedeckt, welche die quasiperiodische Trajektorie annehmen kann.
Das partielle Differentialgleichungssystem lässt sich mit verschiedenen Verfahren lösen. Am Fachgebiet werden derzeit Finite-Differenzen-Verfahren, Fourier-Galerkin-Methoden (Harmonische Balance) und ein quasiperiodisches Shooting-Verfahren eingesetzt. Letzteres wurde am Fachgebiet basierend auf der Methode der Charakteristiken entwickelt und ermöglicht die Stabilitätsberechnung quasiperiodischer Lösungen mithilfe von Lyapunov-Exponenten. Hierbei wird eine Abbildungsfunktion identifiziert, welche die Entwicklung von Störungen beschreibt. Darüber hinaus können bei Verwendung des entwickelten quasiperiodischen Shooting-Verfahrens Bifurkationspunkte detektiert werden. Diese dienen als Grundlage für eine Untersuchung von Synchronisationseffekten, welche ebenfalls Gegenstand aktueller Forschung sind.
Die Untersuchung und Validierung der Methodik konnte bereits an einfachen Modellen durchgeführt werden. Hierzu zählen ein periodisch fremderregtes Van-der-Pol-System sowie ein quasiperiodisch fremderregter Duffing-Oszillator.
Die Methodik ist zusammen mit den erwähnten Verfahren in der MATLAB Toolbox CoSTAR implementiert, welche vom Fachgebiet zur Verfolgung stationärer Lösungen entwickelt wird und auf GitHub zur Verfügung steht. Hiermit lassen sich quasiperiodische Lösungszweige unter Verwendung verschiedener Approximationsmethoden effizient berechnen und miteinander vergleichen. Darüber hinaus kann das Stabilitätsverhalten quasiperiodischer Lösungen untersucht werden.
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