16.01.2019 | Pressemitteilung

Bei Bildung von Landesregierungen: Schwierige Koalitionen wollen Karriere-Beamte – Hessen ist die Ausnahme

Landesregierungen mit schwierigen Koalitionen bevorzugen Karriere-Beamte als Spitzenbeamte. Das hat eine Studie der Uni Kassel herausgefunden. Dabei wurden die Lebensläufe von Spitzenbeamtinnen und Spitzenbeamten in Landesministerien untersucht. Das Ergebnis: Schwierige Koalitionen holen meist Laufbahn-Beamte auf Top-Positionen. Umgekehrt: Je leichter die Regierungsbildung, desto häufiger haben Spitzenbeamte selbst politische Erfahrung. Hessen ist dabei die Ausnahme. Weitere Erkenntnis: Frauen sind weiterhin unterrepräsentiert.

Bild: travelview/Fotolia.
Der Hessische Landtag in Wiesbaden.

Die Grenze zwischen Politik und Verwaltung ist bei Landesregierungen oft dünn. Vor allem bei Koalitionspartnern, die sich gut verstehen. So lautet das Ergebnis einer Studie des Fachgebiets Public Management der Uni Kassel. „Sind die Koalitionsverhandlungen einfach, etwa bei rot-grünen Koalitionen, bevorzugen Landesregierungen meist politiknahe Personen mit Parteibuch und politischer Erfahrung als Spitzenbeamtinnen und -beamte“, sagt Prof. Dr. Sylvia Veit, Leiterin des Forschungsprojektes RegPol. Umgekehrt sei es bei schwierigen Koalitionspartnern. „Schwarz-grüne Koalitionen etwa verlassen sich eher auf Laufbahn-Beamte.“ Dabei handle es sich meist um Staatsekretärs-Posten. Staatssekretäre sind die höchsten Beamten in den meisten Bundesländern. Sie sind direkt den Ministern unterstellt.

Veit erklärt die Vorteile: „Laufbahn-Beamte haben Erfahrung, Kompetenz und kennen die Arbeitsprozesse“. Spitzenbeamte mit einem politischen Hintergrund sind dagegen eher auf Parteilinie, haben gut ausgebaute Netzwerke und kennen das politische Geschäft.“ Loyalität und Kompetenz seien beide wichtige Eigenschaften. „Im Idealfall wollen Minister natürlich Staatssekretäre, die beides haben.“ Eine Ausnahme ist Hessen. Trotz schwarz-grüner Koalition hatte bislang der Großteil aller Staatssekretärinnen und -sekretäre eine ausgeprägte Politiknähe, etwa als ehemalige Mandatsträger oder durch die Übernahme von Parteiämtern.

Veit und ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin Stefanie Vedder wollten mit dem Projekt herausfinden, wie stark die Ministerialverwaltungen in Bundesländern politisiert sind. Im Ergebnis zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. Die Forscherinnen betonen, dass in manchen Bundesländern viele Staatssekretäre aus der Politik stammen, was auf dieser Hierarchieebene nicht per se problematisch sei. Schwierig würde es dann, wenn politische Kriterien das Leistungsprinzip aushebeln oder Parteinähe auch für Einstellungen und Beförderungen auf niedrigeren Ebenen relevant wird.

Das Projekt bietet auch weitere Ergebnisse. „Frauen beispielsweise sind noch immer deutlich unterrepräsentiert“. Allerdings sei der Frauenanteil seit dem Jahr 2000 stetig steigend. In Hessen ist der Frauenanteil mit durchschnittlich 15 Prozent im Zeitraum 2000 bis 2018 besonders gering.

Mit dem Projekt RegPol untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Kassel die Lebensläufe von Staatssekretären in allen 16 Bundesländern. Neben Politiknähe und Geschlecht untersuchten Veit und Vedder auch Ausbildung, Berufserfahrung und weitere Faktoren.

Zum Projekt RegPol gehören die Studien:

Bach, Tobias; Veit, Sylvia (2017): The Determinants of Promotion to High Public Office in Germany: Partisan Loyalty, Political Craft, or Managerial Competencies? In: Journal of Administrative Research and Theory 66 (2). S. 254-269.

Vedder, Stefanie; Veit, Sylvia (2017): Politische Kultur und Parteipolitisierung von Verwaltungseliten in den alten und neuen Bundesländern. In: dms – der moderne staat 10 (1). S. 153-168.

Veit, Sylvia; Hustedt, Thurid; Bach, Tobias (2016): Dynamics of change in internal policy advisory systems: the hybridization of advisory capacities in Germany. In: Policy Sciences.

 

Kontakt:

Prof. Dr. Sylvia Veit
Fachbereich 07
Universität Kassel
Public Management
Tel: +49 561 804-7786
E-Mail: sveit@uni-kassel.de