20.12.2021 | Stellungnahme

Stellungnahme zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Prüfungen

Vorgaben zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Prüfungen sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dies ist das Ergebnis eines Gutachtens, das die Universität Kassel anlässlich eines öffentlich diskutierten Einzelfalls zur Frage, ob die Verwendung von gendergerechter Sprache als ein Teil-Kriterium in Prüfungen von Lehrenden vorgegeben werden darf, im Sommer 2021 in Auftrag gegeben hat. Erstellt wurde das Gutachten von dem renommierten Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Michael Sachs. Sachs ist Staats- und Verwaltungsrechtler und ehemaliger Mitdirektor des Instituts für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht der Universität zu Köln.

Die Berücksichtigung von geschlechtergerechter Sprache als ein weiteres allgemeines formales Kriterium für eine Prüfungsleistung wird im Gutachten abgelehnt, da die geschlechtergerechte Sprache gegenüber z.B. Grammatik und Rechtschreibung nicht in gleicher Weise allgemein anerkannt sei. Das Gutachten kommt nach einer eingehenden Analyse der rechtlichen Ausgangslage aber zu dem Ergebnis, dass Lehrende unabhängig von formalen Regelungen, wie z.B. denen einer Prüfungsordnung, die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache zu einem gewissen Anteil als ein Kriterium in einer Prüfung berücksichtigen dürfen. Voraussetzung sei allerdings immer, dass dabei ein hinreichender fachlicher bzw. berufsqualifizierender Bezug bei der konkreten Prüfung gegeben ist.

Das Gutachten betont, dass die Berücksichtigung geschlechtergerechter Sprache als sog. „Element prüfungsspezifischer Bewertung“ dabei nicht willkürlich ausfallen darf. Soweit hierüber keine letzte Klarheit besteht, bleibt der „Antwortspielraum des Prüflings“ zu respektieren, dem ein abweichender Sprachgebrauch dann nicht zum Nachteil gereichen darf. Auch sei generell der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Die Universität Kassel sieht damit insofern frühere Einschätzungen bestätigt, dass eine Berücksichtigung des Kriteriums „gendergerechte Sprache“ nach derzeit geltender Rechtslage im Einzelfall mit der zu respektierenden fachlichen Einschätzung der Lehrenden begründbar ist. Gleichfalls belegen die differenzierten und abwägenden Feststellungen des Gutachtens aber, dass generalisierende Aussagen schwer zu treffen sind.

Bisher gibt es zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Prüfungen keine rechtlichen Regelungen auf Bundes-, Landes- oder Hochschulebene und auch die Rechtsprechung gibt bislang keine Anhaltspunkte. Die Universität Kassel hatte zuvor einen allgemeinen Hinweis gegeben, dass die Verwendung geschlechtergerechter Sprache als Bewertungskriterium bei Prüfungen im Rahmen der Lehrfreiheit bei Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit zulässig sei. Nachdem die rechtlichen Unsicherheiten sichtbar wurden, wurde der Hinweis ausgesetzt und das Gutachten beauftragt.

Stand: 07.12.2021


Ergänzung vom 13.12.2021

Das Bemühen um die Gleichstellung der Geschlechter und die geschlechtersensible Sprache ist für die Universität Kassel ein Verfassungsauftrag. Dabei fühlen wir uns einer wissenschaftlichen Kultur der Auseinandersetzung um das bessere Argument verpflichtet. Bis heute liegt der Universität weder eine Beschwerde, noch ein Widerspruch gegen eine vermeintlich schlechtere Benotung aufgrund der Verwendung des generischen Maskulinums vor. Der Student hat das Thema ausschließlich über die Medien lanciert.

Das durch den renommierten Experten für Wissenschaftsrecht, Prof. Dr. Michael Sachs, erstellte Rechtsgutachten wurde in Auftrag gegeben, um die Nutzung geschlechtergerechter Sprache als Teilkriterium in universitären Prüfungen rechtlich einordnen zu lassen, weil es bislang noch keine Rechtsprechung dazu gibt. Es hatte nicht den Zweck, einen konkreten Fall zu überprüfen. In Zusammenarbeit und mit Autorisierung des Gutachters wurde das Ergebnis dieses Gutachtens in dem oben aufgeführten Statement zusammengefasst. Das Urheberrecht an dem Gutachten liegt beim Gutachter.

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