20.06.2023 | Porträts und Geschichten

Muh mit Methan

Auf der Domäne Frankenhausen wird untersucht, wie Kühe klimafreundlicher werden können.

Die moderne Kuh ist auf dem neuesten Stand der Technik, sie hat Internet, sie übermittelt Signale rund um die Uhr. Was sie tut, wird allumfassend registriert: wieviel sie frisst, wie sie atmet, wie oft sie rülpst – ja vor allem ihr Rülpsen ist von Interesse. Eine enorme Datenflut produziert so eine wissenschaftliche Kuh jede Stunde, jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr.

Bild: Andreas Fischer

Auf der Staatsdomäne Frankenhausen, dem bei Grebenstein gelegenen Versuchsgut des Fachbereichs Ökologische Agrarwissenschaften, leben rund 100 Rinder im Dienst der Wissenschaft unter ökologischen Bedingungen. Kaum vorstellbar, welche Datenflut da zusammenkommt. Die Tiere bewegen sich im Winter in einem geräumigen Stall, in dem sie frei laufen können, bis sie dann im Frühling, je nach Wetterlage, die angrenzenden Weideflächen bevölkern. Die Frankenhäuser Kühe mustern einen freundlich und scheinen unentwegt vor sich hinzukauen.

Allerdings ist die Kuh seit einiger Zeit als Klimaschädling in Verruf geraten. Nicht wenigen gilt sie gar als „Klimakiller“, ganz egal, ob ökologisch oder konventionell gehalten. Kühe können in ihrem Magen schwer verdauliches, faserreiches Futter wie Heu und Gräser „verarbeiten“. Das ist gut für die Kuh, aber schlecht für die Umwelt. Denn leider setzen Kühe dabei Methan frei. Methan ist wie Kohlendioxid ein Treibhausgas. Indem Kühe fort während rülpsen und furzen, gelangt das Methan in die Atmosphäre und trägt somit zum Klimawandel bei. „Etwa 90 Prozent des Methans kommen vorne, die restlichen zehn Prozent verlassen die Kuh hinten raus“, sagt Prof. Dr. Dirk Hinrichs, der das Fachgebiet Tierzucht leitet. Gemeinsam mit seiner Fachbereichskollegin Prof. Dr. Fenja Klevenhusen ist er den Methanemissionen der Domänen Rinder mit Hightech auf der Spur. Klevenhusen hat seit September vergangenen Jahres in Witzenhausen die Qualifikationsprofessur für Umwelt verträgliche Tierernährung inne.

Bild: Andreas Fischer

Der Methanausstoß von reinen Milchkühen ist mittlerweile recht gut erforscht, Klevenhusen verfasste dazu ihre Promotionsschrift. Zu den am weitesten verbreiteten Milchviehrassen zählt das Holstein Rind, das auch in deutschen Ställen und auf Weiden hauptsächlich anzutreffen ist. Anders sieht es beim Deutschen schwarzbunten Niederungsrind aus. „Das ist eine Zweinutzungsrasse“, erklärt Klevenhusen. Diese Rasse liefert sowohl Milch als auch Fleisch. Das – abgekürzt – DSN Rind gilt als robust, passt sich gut an klimatische Bedingungen an und verwertet auch geringerwertige Pflanzen optimal. Auf der Webseite des „Vereins zur Erhaltung des Deutschen schwarzbunten Niederungsrindes“ – den gibt es wirklich! – wird es aufgrund seiner „ruhigen Art als umgänglicher“ als das Holstein Rind beschrieben.

Die Kühe auf der Domäne Frankenhausen gehören alle zu den in punkto Methanemissionen weitgehend unerforschten Schwarzbunten. Sie haben nicht nur einen Knopf mit einem Sensor im Ohr, der unentwegt Daten über Kaubewegungen aufzeichnet und sendet, sie tragen auch ein Halsband mit einem Transponder. Dieses Funkgerät ist mit einer neu installierten Reihe automatischer Futtertröge gekoppelt, die die Kühe selbst öffnen können. Die Futtertröge sind mit Waagen ausgestattet, die automatisch erfassen, wie viel die Kuh frisst, was wiederum die ausgestoßene Methanmenge beeinflusst. Entscheidend ist dabei auch die Zusammensetzung des Mischfutters. Bestimmte unbedenkliche Zusätze können dafür sorgen, dass der Methanausstoß sinkt. All das gelte es nun in einem Langzeitexperiment genau herauszufinden. Die Tiere erhalten Futter in verschiedenen Zusammensetzungen.

 

Bild: Andreas Fischer

Hintergrund

Finanziert wird das Forschungsprojekt über die Förderlinie REACT EU der Europäischen Kommission für die Wissenschaft. Ziel: Die Bekämpfung der Folgen der Corona Pandemie und die Unterstützung eines nachhaltigen und digitalen Wandels. Insgesamt rund 936.000 Euro gingen aus diesem Topf an den Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften. Rund die Hälfte kommt dem Langzeitexperiment mit den Rindern zugute. Die andere Hälfte ist für ein weiteres langfristig angelegtes Feldexperiment zu innovativen Anbausystemen im ökologischen Landbau vorgesehen. Dieses wird von Prof. Dr. Miriam Athmann, Fachgebiet Ökologischer Land und Pflanzenbau, geleitet.


Mehr dazu: uni-kassel.de/go/reactagrar

Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2023/2. Text: Andreas Gebhardt