Delegation der Uni Kassel in Dubai
Herr Braun, Herr Lechtenböhmer, Sie gehören zum Direktorium des Kassel Institute for Sustainability und fliegen in den nächsten Tagen nach Dubai zur Klimakonferenz. Was machen Sie dort?
Stefan Lechtenböhmer: Wir veranstalten mit dem Wuppertal Institut, der Universität Lund und anderen ein Side Event, ein Format für den Austausch zwischen Wissenschaft und Klimaverhandlern. Solche Formate geben der globalen Zivilgesellschaft auf der Klimakonferenz eine Stimme. Wir beschäftigen uns in unserem Event mit der Frage, wie wir die Industrie global dekarbonisieren, und das im Austausch mit internationalen Partnerinnen und Partnern. Denn es ergibt wenig Sinn, dass wir in Deutschland Hochöfen umstellen und dann dreckige Hochöfen in anderen Ländern die Aufträge übernehmen.
Glauben Sie denn, dass diese wissenschaftlichen Veranstaltungen die Verhandlungen beeinflussen? Die sind jahrelang vorbereitet.
Andreas Braun: Sie haben Recht, das ist natürlich eher eine mittel- bis langfristige Überzeugungsarbeit. Aber man darf die Diskussion mit den Verhandlungsdelegationen auch nicht unterschätzen. Und es geht ja auch darum, sich innerhalb der wissenschaftlichen Community auszutauschen und zu vernetzen, um die Forschung voranzubringen.
Die Erfolgsbilanz der bisherigen Konferenzen ist mäßig.
Lechtenböhmer: Das ist so eine Glas-halb-voll-halb-leer-Diskussion. Man kann sagen: Die Welt tagt seit 30 Jahren und die Treibhausgas-Emissionen haben sich in dieser Zeit verdoppelt. Anderseits ist auch viel erreicht worden, denken Sie an das Paris-Abkommen. Was ist die Alternative? Der Klimawandel wartet nicht. Außerdem: Die Klimakonferenzen sind fast der einzige Ort, an dem die Staaten der Welt noch konstruktiv zusammenarbeiten.
Was erwarten Sie dann von der COP28 in Dubai?
Lechtenböhmer: Es bewegt sich einiges, was Klimahilfen für ärmere und Schwellenländern angeht. Und Menschen, die näher dran sind als ich, sind vorsichtig optimistisch, dass wir zu einem globalen Ziel einer Verdreifachung des Ausbaus Erneuerbarer Energien kommen könnten, was ein wichtiger Schritt wäre.
Nach Dubai werden Sie nicht mit dem Schiff fahren…
Braun: Immer ein Dilemma! Die Konferenzen verursachen viel CO2-Ausstoß. Dann findet diese Konferenz auch noch in einem Staat statt, der vom Öl-Export lebt. Das hat was von einer Menschenrechtskonferenz in Nordkorea. Ich habe lange mit mir gerungen, ob eine Teilnahme überhaupt Sinn hat. Aber die Politik von wissenschaftlicher Seite nicht mehr unter Druck zu setzen kann auch nicht die Lösung sein. Zumindest findet eine Kompensation der CO2-Emissionen statt, die bei Flügen entstehen.
---
Dr. Stefan Lechtenböhmer hat seit kurzem eine Professur für Nachhaltiges Technologiedesign in Kassel. Zuvor war er Abteilungsleiter am renommierten Wuppertal-Institut. Er hat als Wissenschaftler bereits einige Klimakonferenzen vor Ort begleitet.
Dr. Andreas Braun hat eine Professur für Human-Environment Interactions. Wie Lechtenböhmer ist er Direktoriums-Mitglied des Kassel Institutes. Ihn interessiert unter anderem, wie Klimawandel-Szenarien modelliert werden.
Dr. Ina Sieber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Human-Environment Interactions. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Anpassung an den Klimawandel und die Biodiversität.
Dr. Klaus Vajen hat eine Professur für Solar- und Anlagentechnik. Der Solarverband ISES besteht überwiegend aus Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und andere Experten und ist von der UNO als nichtstaatliche Mitgliederorganisation anerkannt. In Dubai ist Vajen an einem Side Event zu Erneuerbaren Energien beteiligt.
Interview: Sebastian Mense