Kunsthochschule und documenta: Neue Bestände des UniArchivs geben Einblick
Warum gerade Kassel? Die Verwunderung über den Standort ist so alt wie die documenta selbst. Ohne das Netzwerk der nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten kunstpädagogischen Einrichtungen in Kassel wäre die Etablierung der Weltkunstschau schwer vorstellbar. Von Beginn an prägten Professorinnen und Professoren der Werkakademie und der Werkkunstschule stilbildend die documenta, etwa wie Gründer Arnold Bode, die Gremienmitglieder Stephan Hirzel und Ernst Jupp oder die Teilnehmer Fritz Winter und Harry Kramer.
Beide Vorgängereinrichtungen der Kunsthochschule stehen namentlich für eine handwerkliche Tradition unter Berufung auf den Werkgedanken des Werkbunds und des Bauhaus. Die in den letzten Jahren erforschte „Wahlverwandtschaft“ (Heinz Bude) zwischen Bauhaus und documenta geht auf die räumliche Nachbarschaft und Verflechtung zurück.
Wiedereröffnung und Integration
Im November 1947 betrieb Arnold Bode mit befreundeten Künstlerinnen und Künstlern die Neugründung der Kunstakademie zu Kassel als Staatliche Werkakademie, ab 1960 Hochschule für Bildende Künste. Mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung öffnete sie zum Wintersemester 1947/48 ihre Tore. Schon ein Jahr früher nahm die Schule für Kunst und Handwerk, später Werkkunstschule, den Lehrbetrieb auf. Geeignete Standorte waren in der zerstörten Stadt rar. Die drängende Raumnot wurde in den 1960er Jahren durch die Neubauten der Architekturprofessoren Johannes Krahn und Josef Lucas (Südbau und Atrium) und des Architekturprofessors Paul Friedrich Posenenske (Nordbau) gelöst. Beide gelten heute als herausragende Beispiele der Nachkriegsarchitektur, die sich durch Variabilität und Flexibilität auszeichnen. Die Fusion beider Einrichtungen erfolgte 1970 unter dem Dach der Hochschule für Bildende Künste. Ein Jahr später wurde die Hochschule in die Gesamthochschule Kassel eingegliedert.
Recherche leicht gemacht
Mit der Einrichtung des UniArchivs konnte im März 2024 das im Hessischen Landesarchiv verwahrte Depositum nach Kassel rückgeführt und wichtige Quellen zur documenta-Entstehung am Standort Kassel gewonnen werden. Die Bestände der Hochschule für Bildende Künste (früher Werkakademie) und der Werkkunstschule beinhalten unter anderem Personalakten (die prominenteste gehört zu Arnold Bode), Unterlagen zum Neubau in der Karlsaue, Schriftverkehr mit verschiedenen Institutionen sowie Protokolle der Fachgremien. Einzig der historische Bestand zur Kunstakademie zu Kassel vor 1945 verbleibt in Marburg.
Kai Hemken, Professor an der Kunsthochschule, begrüßt die Überführung nach Kassel. Der Kunsthistoriker hofft, dass der erleichterte Zugang die forschungsnahe Lehre mit Studierenden befördert: „Die Bestände zur Geschichte der Kunsthochschule Kassel, die in diesen Tagen von Marburg nach Kassel überführt wurde, sind ein wertvoller Grundstock zur Geschichte unserer Institution im 20. Jahrhundert. Im Zuge der Recherchen eines Projektteams mit Studierenden der Kunstwissenschaft, das sich mit finanzieller Unterstützung der Universität Kassel der Rekonstruktion der Geschichte der KHS verschrieben hat, zeigte sich, dass zudem zahlreiche Archivreisen in Deutschland, England und den USA erforderlich sind, will man die Historie der Kunsthochschule vollumfänglich ins kollektive Gedächtnis zurückholen. Insofern haben die nun in Kassel zugänglich gemachten Bestände zugleich einen mahnenden Charakter, ist doch der Verlust weiterer Unterlagen die Folge des Bombenangriffs auf Kassel im Jahre 1943.“
Mit der Übernahme der Bestände der Hochschule für Bildende Künste und der Werkkunstschule durch das UniArchiv baut die Stadt Kassel ihre Stellung als Hotspot der documenta-Forschung weiter aus. In Kassel kann ihre Geschichte nun zusammen mit anderen einschlägigen Quellen zur Entstehung und Entwicklung der documenta im Stadtarchiv und insbesondere im documenta archiv recherchiert werden. All diese Archivalien sind über die Archivplattform Arcinsys recherchierbar. Eine Einsichtnahme ist nach Vereinbarung im Lesesaal des UniArchivs möglich.