Wie sprachliche Laute und Wortbedeutung zusammenhängen: Neues DFG-Projekt
In früheren Arbeiten konnten Körner und Rummer bereits zeigen, dass der emotionale Gehalt von Wörtern nicht nur von emotionalen Assoziationen der bezeichneten Personen oder Gegenstände (z.B. Urlaub als etwas Positives), sondern auch von den Lauten in den Wörtern selbst abhängt. Hier spielen insbesondere Muskelbewegungen bei der Artikulation von Vokalen, wie i (wie im englischen Wort „cheese“) oder o (wie im deutschen Wort „Tod“), eine wichtige Rolle. Der Zusammenhang zwischen sprachlichen Lauten und emotionalem Gehalt ist wissenschaftlich deshalb so interessant, weil man damit partiell den Ursprung menschlicher Sprache erklären könnte. Der Ausdruck von positiven und negativen Emotionen spielt nicht nur bei Menschen, sondern auch im Tierreich eine herausragende Rolle und ist ein zentraler Gegenstand von Kommunikation. Zu diesem Thema hat bereits Charles Darwin ein gewichtiges Werk vorgelegt.
Das neue Projekt soll insbesondere die Hypothese untersuchen, dass der Vokal i mit positiven Emotionen assoziiert ist. Die angenommene Ursache hierfür ist, dass die Artikulation von i die Kontraktion der gleichen Gesichtsmuskeln erfordert wie das Lächeln. Es handelt sich also um eine Schnittstelle zwischen emotionalem Gesichtsausdruck und sprachlichem Ausdruck. Lautliche Äußerungen und emotionale Befindlichkeit werden somit auf einer symbolischen Ebenen direkt (und auf der Basis eines biologischen Mechanismus) miteinander verknüpft. Eine weitere Hypothese ist, dass der Vokal o mit negativen Emotionen assoziiert ist, weil seine Artikulation das Lächeln unterbindet (Versuchen Sie einmal gleichzeitig zu lächeln und o zu sagen). In diesem neuen Forschungsprojekt geht es zunächst darum, die Robustheit und Automatizität dieser Effekte zu belegen. Außerdem soll gezeigt werden, dass andere klangsymbolische Effekte (wie der Zusammenhang zwischen der Verwendung bestimmter Vokale und der Größe von Objekten) auf anderen Mechanismen (in diesem Fall der Tonhöhe) beruhen.
Beispielhaft für das Projekt ist eine aktuelle Studie der Universität Kassel. Die Studie umfasst zwei Experimente, an denen 399 Versuchspersonen teilnahmen, und eine Korpusanalyse. In den beiden Experimenten wurden den Versuchspersonen Gesichter mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck gezeigt, und sie mussten diesen Gesichtern (echte) Namen geben. Im ersten Experiment war der Ausdruck der Gesichter entweder positiv (Lächeln) oder negativ (ärgerlicher Ausdruck); im zweiten Experiment wurden künstlich generierte Gesichter unterschiedlicher Attraktivität dargeboten (s. Abbildung). Im Anschluss an die Namensgebung durch die Versuchsteilnehmer wurde untersucht, inwieweit Namen für positive und negative Gesichter sich hinsichtlich der Häufigkeit der darin enthaltenen sprachlichen Laute unterschieden. Dabei zeigte sich zum einen, dass die Namen positiver Gesichter, wie erwartet, signifikant häufiger den Vokal i enthielten als die Namen negativer Gesichter. Darüber hinaus konnten (in weiteren Analysen) auch Unterschiede hinsichtlich der Verwendung bestimmter Konsonantengruppen aufgezeigt werden: So kommen Nasale (z.B. n oder m) häufiger in Namen für positive Gesichter vor, während Plosive (z.B. p oder k) häufiger in Namen für negative Gesichtern vorkommen.
Die Korpusanalyse bezieht sich auf eine Datensammlung, in der Versuchspersonen Namen hinsichtlich ihrer Sympathie auf eine Skala von 1 bis 7 bewerten mussten. Eine der Fragen lautete beispielsweise: „Für wie sympathisch halten Sie den/die durchschnittlichen Träger/Trägerin des Namens X?“ Basierend auf diesen Daten konnte gezeigt werden, dass Namen mit i signifikant positiver als Namen mit o eingeschätzt werden. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse dieser Studie also die Annahme, dass der Vokal i positiv assoziiert ist.
Eine weitere aktuelle Studie, die ebenfalls an der Universität Kassel entstanden ist, zeigt zudem, dass die Assoziation zwischen Namen, die den Vokal i enthalten und positiven Gesichtsausdrücken auf automatische und unbewusste Prozesse zurückgeht.
„Hinsichtlich der alten Frage, ob in der Sprache Laut und Inhalt zusammenhängen, geben diese Ergebnisse erneut einen deutlichen Hinweis auf einen stabilen Zusammenhang“, so Dr. Anita Körner (Erstautorin der ersten und Koautorin der zweiten Studie). Prof. Dr. Ralf Rummer geht noch einen Schritt weiter. Aus seiner Sicht verweist dieser Zusammenhang auf einen wichtigen Ursprung menschlicher Sprache, nämlich eine Kopplung von emotionalem Ausdruck und Artikulation.
Rummer leitet an der Universität Kassel das Fachgebiet Allgemeine Psychologie. Er forscht seit mehr als 10 Jahren experimentell zum Thema Lautsymbolik.
Beide Studien sind online abrufbar:
Körner, A., Röth, L., & Rummer, R. (subm.). Names with /i/ Suit Positive Faces: The Naming Paradigm. PsyArXiv. https://www.researchgate.net/publication/387234731_Names_with_i_Suit_Positive_Faces_The_Naming_Paradig
Schmidtke, D., Körner, A., Glim, S., & Rummer, R. (2024). Valence Sound Symbolism Facilitates Classification of Vowels and Emotional Facial Expressions. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/xlm0001389