Kleine landwirtschaftliche Betriebe in globalen Wertschöpfungsketten: Ohne kollektives Handeln keine soziale Aufwertung
Der Anlass für unser Projekt über kleine Landwirtschaften in globalen landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten ist die Kontroverse über deren Chancen auf wirtschaftliche und soziale Aufwertung durch den Beitritt zu solchen Ketten. Während wichtige internationale Organisationen bäuerliche Haushalte ermutigen, Teil globaler landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten zu werden, weisen Kritiker auf die Risiken hin, die mit der Befolgung solcher Ratschläge verbunden sind. Gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam haben wir uns vorgenommen, insbesondere die Möglichkeiten der sozialen Aufwertung für Eigentümer und Pächter von kleinbäuerlichen Betrieben sowie für deren Beschäftigte zu untersuchen. Unser Nutzpflanzen-Länder-Vergleich basiert auf der Annahme, dass die Eigenschaften der Kulturpflanzen, die Endmärkte und die Steuerung der Lieferketten (einschließlich produkt- und prozessbezogener Standards) sowie die nationalen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontexte die Konturen der jeweiligen Wertschöpfungsketten und damit auch die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der kleinen Bauernhöfe und ihrer Landarbeiter:innen beeinflussen. Dementsprechend haben wir Nutzpflanzen ausgewählt, die überwiegend von familiären Betrieben im Globalen Süden produziert werden, sich aber entlang der Achsen inländischer versus internationaler Endmärkte und kurze versus lange Haltbarkeit unterscheiden. Für eine Cash-Crop, die hauptsächlich für den Export bestimmt ist, wählten wir Kaffee, und für eine hauptsächlich im Inland konsumierte Nutzpflanze wählten wir das Grundnahrungsmittel Reis. Während Kaffee und Reis in verarbeiteter Form recht lange gelagert werden können, sind frische Früchte schnell verderblich. Da dies insbesondere auf Mangos zutrifft, haben wir sie als Produkt mit kurzer Haltbarkeit ausgewählt.
Unter den von uns untersuchten Faktoren, die die soziale Aufwertung in der landwirtschaftlichen VC beeinflussen, hat sich herausgestellt, dass die Verderblichkeit die Verhandlungsmacht der Erzeuger schwächt und die Mechanisierung zwiespältige Auswirkungen hat. Einerseits erfordert die Mechanisierung eine höherwertige Qualifikation und geht daher mit besseren Beschäftigungsbedingungen einher, andererseits führt sie zu einer Zunahme von prekär beschäftigten Saisonarbeitern. Als Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche und soziale Aufwertung wurde in den Fallstudien die Rolle des Staates identifiziert.
Die Unterstützung des Staates ist vor allem für die so genannten schwachen Interessen notwendig, d.h. für jene sozialen Gruppen, die in der zivilen und politischen Gesellschaft nur schwach vertreten sind. Wo der Staat diese Gruppen nicht unterstützt, meist aufgrund ihrer politischen Schwäche, findet keine soziale Aufwertung statt. Dies gilt insbesondere für bäuerliche Personen, die nicht oder kaum lesen und schreiben können, und natürlich für landlose Landarbeiter:innen. Sie sehen sich im Allgemeinen größeren strukturellen Zwängen ausgesetzt als Großproduzenten oder andere mächtige Akteure, wenn sie ihre Interessen auf staatlicher Ebene durchsetzen wollen.
Für Landarbeiter:innen wurde eine soziale Aufwertung nur im Falle Brasiliens festgestellt, wo während der Regierungszeit der Arbeiterpartei (PT) die Arbeitsgesetze des Landes strenger durchgesetzt wurden als die der Vorgängerregierungen. Die Amtsenthebung von Dilma Rousseff von der PT im Jahr 2016 und die darauffolgende konservative Regierung haben nicht nur zu einer geringeren Durchsetzung, sondern auch zu einer Verwässerung des gesetzlichen Schutzes der Landarbeiter:innen geführt.
Dieses Buch ist ein Produkt des lebendigen Netzwerks des Internationalen Zentrums für Entwicklung und menschenwürdige Arbeit (ICDD). Es ist der dritte Band über die Landwirtschaft im globalen Süden, der im Rahmen des ICDD-Kooperationsprojekts zu globalen landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten entstanden ist. Der erste Band dokumentierte Defizite an menschenwürdiger Arbeit in der Landwirtschaft (2018); der zweite Band zeigte die Herausforderungen im Bereich Gesundheit und Sicherheit am landwirtschaftlichen Arbeitsplatz auf (2019).
Für diese Studie brachte das ICDD nicht nur Forscher:innen aus Bangladesch, Brasilien, Kolumbien, Deutschland, Ghana, Indien, Pakistan und Vietnam zu einer Reihe von Workshops zusammen, sondern auch aus verschiedenen Disziplinen wie Entwicklungsstudien, Ökonomie, Management, politische Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie.
Das ICDD ist ein globales multidisziplinäres Netzwerk von neun Partneruniversitäten auf vier Kontinenten mit Sitz an der Universität Kassel (Deutschland). Das ICDD leistet einen Beitrag zum weltweiten Kampf gegen Hunger und Armut durch Forschung und Bildung zum Nachhaltigen Entwicklungsziel Nr. 8 "inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle zu fördern". Es gehört zum Programm Centers of Excellence for Exchange and Development (exceed), das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verwaltet wird. Die vorliegende Studie wurde vom ICDD und der Hans-Böckler-Stiftung finanziell unterstützt.
Karatepe and SCHERRER (eds.) 2021: The Phantom of Upgrading in Agricultural Supply Chains: A Cross-Country, Cross-Crop Comparison of Smallholders, Nomos.