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26.04.2023 | Pressemitteilung

Insektenvielfalt selbst in Naturschutzgebieten bedroht

Vier Jahre lang hat ein Forschungsteam unter Leitung des NABU die Insektenvielfalt in Naturschutz-Arealen untersucht. Ein Ergebnis: Selbst in Naturschutzgebieten schreitet der Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen voran, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Beteiligt an dem Projekt war auch eine Biologin der Universität Kassel.

Bild: Helge May.
Die Gewöhnliche Sandwespe.

Warum nimmt die Insektenvielfalt hierzulande ab und was kann man dagegen unternehmen? Dieser Frage sind acht wissenschaftliche Institutionen unter Leitung des NABU im Forschungsprojekt DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) vier Jahre lang nachgegangen. Prof. Dr. Birgit Gemeinholzer, Leiterin des Fachgebiets Botanik an der Universität Kassel, hatte mit ihrem Team, insbesondere Frau Stephanie Swenson, Ergebnisse zum Zusammenspiel von Insekten und Pflanzen geliefert.

Wie die Projektpartner heute in Berlin mitteilten, sind Pestizide und eine nicht-naturverträgliche Landnutzung mitverantwortlich für die Abnahme der Vielfalt. Damit die Trendumkehr beim Insektensterben gelingen kann, müsse die Belastung durch Pestizide in der gesamten Landschaft halbiert werden.

Das DINA-Projekt erfasste die Diversität von Fluginsekten entlang von Beobachtungspunkten in regelmäßigen Abständen durch standardisierte Fangmethoden, wie auf der Projektseite erklärt wird. Die DNA der Arten wird dann mit DNA-Referenzlisten bekannter Arten verglichen. Ziel war, die bisher umfangreichste Datensammlung von fliegenden Insektenarten in Schutzgebieten in Deutschland zu generieren.

Parallel zur Erfassung der Tier-DNA am Museum König in Bonn bestimmten Wissenschaftlerinnen an der Uni Kassel Pflanzenspuren in den Proben ebenfalls mit DNA-basierten Methoden. Dadurch konnten sie zeigen, welche Pflanzen die Insekten zu welchen Jahreszeiten in den Naturschutzgebieten besuchen, was bis dato nicht möglich war. Außerdem wurden Artenlisten erstellt sowie seltene, gefährdete Pflanzen oder gebietsfremde Arten identifiziert. „Erstmalig konnte gezeigt werden, dass mit pflanzlichem DNA-Metabarcoding seltene, gefährdete und gebietsfremde Arten sowie das Gesamtartenspektrum detektiert werden können. Diese Methode eignet sich für standardisiertes, automatisiertes Routinemonitoring, wobei zur Optimierung noch immer Forschungsbedarf besteht“, so Birgit Gemeinholzer.

Mit Blick auf die Artenvielfalt der Insekten sagte Prof. Dr. Gerlind Lehmann, DINA-Projektleiterin beim NABU: „Die Betroffenheit war groß, als vor sechs Jahren das Ausmaß des dramatischen Rückgangs der Insektenvielfalt öffentlich wurde. Doch es fehlte an Daten, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten und in einen positiven Trend umzukehren. DINA hat hierbei die bislang umfangreichste Datenbasis zur Anzahl und Vielfalt fliegender Insektenarten in den ausgewählten Schutzgebieten in Deutschland geschaffen.“

„Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeichnen ein alarmierendes Gesamtbild: Selbst in Naturschutzgebieten schreitet der Verlust von Artenvielfalt und Lebensräumen ungebremst voran. Mitverantwortlich dafür sind Pestizide und eine nicht-naturverträgliche Landnutzung. Damit die Trendumkehr beim Insektensterben gelingen kann, muss die Belastung durch Pestizide in der gesamten Landschaft halbiert werden. In den besonders sensiblen Schutzgebieten gehört ihr Einsatz untersagt. Zudem müssen wir Safe-Spaces für Fluginsekten schaffen – etwa durch Pufferstreifen und zusammenhängende Biotop-Netze“, so Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident.

Abgeleitet aus den Erkenntnissen des DINA-Projekts empfiehlt das Forschungskonsortium drei zentrale Handlungspunkte zum wirksamen Schutz der Insektenvielfalt:

1.  Biodiversität in Zielsetzung und Planung für Schutzgebiete priorisieren: Damit die biologische Vielfalt in den ausgewiesenen Gebieten auch wirklich geschützt wird, muss die umliegende landwirtschaftliche Nutzfläche einbezogen werden – etwa, wenn Strategien entwickelt und Maßnahmen geplant werden.

2.  Bundesweites Monitoring und ortsbezogene Risikoanalysen ermöglichen: Forschungsgrundlagen müssen durch Monitoring und Pestizidanalysen geschaffen werden, um die Risiken der Insektenbestände besser abschätzen zu können. In der Umsetzung müssen besonders schützenswerte Gebiete priorisiert werden.

3.  Mitwirkung aller relevanten Akteure/innen fördern: Damit Schutzmaßnahmen auf der lokalen Ebene wirksam umgesetzt werden, müssen alle Beteiligten aus Landschaftspflege, Landwirtschaft, Naturschutz, Politik und Zivilgesellschaft einbezogen werden. Zudem muss Biodiversität als wichtiger Bestandteil der Bildung für nachhaltige Entwicklung etabliert werden.

 

Hintergrund
Das Projekt DINA (Diversity of Insects in Nature protected Areas) wurde von Mai 2019 bis April 2023 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit einer Gesamtsumme von 4,6 Millionen Euro gefördert. An bundesweit 21 repräsentativ ausgewählten Standorten wurde die Insektenvielfalt und deren Belastung aus den umliegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen erfasst.

DINA-Projektpartner:

  • Entomologischer Verein Krefeld e.V. (EVK)
  • Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE)
  • ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung Frankfurt/Main
  • Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB)
  • Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)
  • Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
  • Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern Landau, AG Ökotoxikologie und Umwelt
  • Universität Kassel (UniKS)

Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des NABU.

Link zum DINA-Policy-Brief – Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen: xxx

Pressebilder zum DINA-Projekt: https://bilddatenbank.nabu.de/Login.jsp?colID=FzsgwPzV

 

Kontakt:

 

Roland Panter
NABU-Pressestelle
Tel. +49 (0)30.28 49 84-1510

Prof. Dr. Birgit Gemeinholzer
Universität Kassel
Fachgebiet Botanik
https://www.uni-kassel.de/fb10/institute/biologie/fachgebiete/botanik/prof-dr-birgit-gemeinholzer