Blended-Learning Konzepte im Vergleich

Die Forschungsarbeit wurde als Teilprojekt (Prof. Dr. Volker Scheid, Dr. Andreas Albert und Dr. Tobias Hillebrand) von UKS_digi (Universität Kassel digital: Universitäre Lehre neu gestalten, August 2021 –  Juli 2024) durchführt und von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert.

Zur Weiterentwicklung der reflexiven, videogestützten Fallarbeit wurden sportpädagogische Lehrveranstaltungen in unterschiedlichen Blended-learning Formaten konzipiert, angeboten und evaluiert. Ausgehend von Kompetenz- und Qualitätskonzepten erfolgte eine reflexive, handlungsorientierte und explorative Auseinandersetzung mit den drei Qualitätsdimensionen guten (Sport-)Unterrichts (Herrmann et al., 2016) unter dem Einsatz geeigneter Unterrichtsszenen aus der Videodatenbank ViSpo.

Das Projekt verfolgte das Ziel, die konzipierten Lehrveranstaltungen zur Unterrichtsqualität im Hinblick auf ihre Wirkung in vier Bereichen zu evaluieren: Entwicklung des Professionswissens, Selbstwirksamkeitserwartungen, Entwicklung der Reflexionsleistung sowie die Zufriedenheit mit dem Format.

Als Blended-learning werden Lehr- und Lernformen bezeichnet, die aus einem sequenziellen Wechsel von Präsenzveranstaltungen und digitalen Komponenten bestehen. Stalker und Horn (2012) definieren vier Blended-learning-Modelle, in denen Online- und Präsenzlehre auf verschiedene Weise miteinander kombiniert werden. Zwei dieser Modelle wurden für das Projekt ausgewählt evaluiert: Das Rotations-Modell besteht aus einer vorgegebenen Struktur mit Präsenz- und Onlinephasen, wobei die Aufgabenfristen sowie Präsenzsitzungen einzuhalten sind. Demgegenüber werden im Flex-Modell die Materialien des Lehrangebots den Studierenden hauptsächlich online zur Verfügung gestellt. Die Lehrenden bieten dabei im Rahmen freiwillig wahrzunehmender Beratungstermine individuelle Unterstützung an.

 

Methoden

Das Professionswissen wurde über eine Fragebogenerhebung erfasst. Die 12 Fragen bezogen sich in gleichen Teilen auf die Bereiche Fachwissen sowie pädagogisches und fachdidaktisches Wissen und wurden jeweils inhaltlich den Themenstellungen der drei Seminarkonzepte angepasst.

Zur Erfassung der Selbstwirksamkeitserwartungen der Studierenden wurden zwei bestehende Skalen aus der Arbeitsgruppe Jerusalem eingesetzt („Motiviertes Lernen fördern“, 6 Items und „Kompetentes Sozialverhalten fördern“, 6 Items – Jerusalem & Röder; 2007Jerusalem & Drössler, 2007) und um eine eigens entwickelte Skala zur Förderung der Bewegungskompetenz (13 Items) ergänzt.

Die Beurteilung der Reflexionsleistungen (inhaltanalytische Auswertung der verschriftlichten Videoreflexionen) erfolgte unter Berücksichtigung des Prozessmodells von Krieg und Kreis (2014). Das Modell ermöglicht einerseits eine Einordnung der Reflexionstiefe von Unterrichtsereignissen auf vier Ebenen (deskriptiv, explikativ, introspektiv, integrativ) und andererseits die transformative Reflexion als ein Nachdenken über Handlungsalternativen auf drei Ebenen (Handlungsoption nennen, Bedingungen benennen, Kriterien definieren).

Die Einschätzung der Zufriedenheit der Teilnehmenden mit dem Blended-learning Format erfolgte über den IEBL-Bogen, der mit acht Skalen (insgesamt 46 Items) die drei Bereichen Präsenzlehre, Onlinelehre und gesamte Lehrveranstaltung erfasst (Peter et al., 2015).

In die Auswertung konnten die Daten von insgesamt 110 Studierenden (SoSe 2022, Rotation-Modell: 52; SoSe 2023, Flex-Modell: 58). Dabei war die Drop-Out-Quote auffallend, während im SoSe 2022 nur 3 Studierende (5,5%) die Veranstaltung nicht beendeten, waren es im SoSe 2023 im Flex-Modell insgesamt 16 Teilnehmende (21,6%).

 

Befunde

Die nachfolgenden Befunde beziehen sich auf einen Gesamtvergleich zwischen den beiden Semestern. In beiden Veranstaltungsformaten steigerten die Sportstudierenden ihr Professionswissen in den drei Bereichen des pädagogischen, fachdidaktischen und fachbezogenen Wissens gleichermaßen höchstsignifikant (<.001) über den Seminarverlauf. Die höchsten Steigerungsraten werden im pädagogischen Wissen erreicht.

In Bezug auf die Selbstwirksamkeitserwartungen konnten die Studierenden beider Veranstaltungsformate in den drei berücksichtigten Bereichen – Förderung des Lernens, des Sozialverhaltens und der Bewegungskompetenz – ihre Erwartungen in vergleichbarer Ausprägung signifikant bis hochsignifikant steigern.

Die Leistungen der Teilnehmenden in der Reflexionstiefe steigerten sich in den Gruppen in vergleichbarer Weise höchstsignifikant vom Beginn bis zum Ende des Seminars. Die Gruppe im Rotations-Modell erreichte dabei allerdings ein höheres, introspektives Reflexionsniveau (MW = 3.27). Auf transformativer Ebene kommt es nur in der Gruppe, die im Rotations-Modell arbeitete, zu einer hochsignifikanten Steigerung, was inhaltlich der Benennung von Handlungsoptionen entspricht.

Hinsichtlich der Zufriedenheit der Studierenden mit dem jeweiligen Blended-learning Format urteilten die Teilnehmenden am Rotations-Modell in 6 von 8 Skalen signifikant zufriedener als die Personen, die nach dem Flex-Modell arbeiteten. Die Angemessenheit der Beanspruchung wurde von der Rotation-Gruppe im Mittel als „genau richtig“ eingestuft, während die Flex-Gruppe die Anforderungen signifikant als höher und schwieriger wahrgenommen hat.

Fasst man die Ergebnisse zusammen, so kann von positiven Wirkungen beider Blended-learning Formate gesprochen werden. Die höhere Ausprägung in der Reflexionstiefe und die besseren Ergebnisse in der transformativen Reflexion im Rotations-Modell lassen vermuten, dass sich durch den regelmäßigen Austausch in der Präsenz Effekte in der Reflexionsleistung ergeben. Auch die Bewertung der Zufriedenheit mit dem Seminar fällt für das Rotations-Modell insgesamt deutlich positiver aus. Auffällig war zudem, dass die Drop-out Quote im Flex-Modell höher ausfiel, was darauf hindeutet, dass ein zu hoher Freiheitsgrad für einzelne Studierende nicht zielführend zu sein scheint und sich für Blended-Learning Szenarien eine regelmäßige, verbindliche Kombination der Lehr-Lernphasen anbietet.