Lehre im Sommersemester 2015
Seminar
Mittwochs, 8-10 Uhr
Arnold-Bode 10, Raum 0104
In deutschen Haushalten leben schätzungsweise 31 Millionen sogenannte Haustiere, davon ca. 12 Mio. Katzen und 7,5 Mio. Hunde, Tieren also, denen Familienstatus zugesprochen wird oder die zumindest mit einem Namen individualisiert werden. Eines ist all diesen Tieren gemeinsam: Sie werden (und wurden) nicht gegessen. Die Haustierhaltung ist kein Phänomen der Postmoderne auch wenn sie in dieser Zeit eine ganz neue Dimension angenommen hat, Haustiere beispielsweise als Konsumenten wahrgenommen werden, um die auch ein aktiver Wettbewerb besteht. Haustierhaltung kann aber insgesamt als eine Erscheinung der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gewertet werden und es ist diese Epoche, die wir uns in einem ersten Schritt insbesondere anschauen wollen. Dabei werden wir uns insbesondere mit dem Quellenmaterial beschäftigen, welches Auskunft über diese Beziehung und über einzelne Tiere gibt. Dies sind sowohl Tagebücher, Zeitschriften für Haustierhaltung, wie auch andere ephemere Quellentypen.
Haustiere sind jene Tiere mit denen die Menschen das wohl innigste Verhältnis pflegen, sieht man einmal von den Mikroben und Bakterien ab, die unsere Körper bevölkern. Dies ist ein Grund weswegen mir meinen, die Charakteristika unserer animalischen Partner zu kennen. Diese Quellen bedürfen deshalb unsere aller größten Aufmerksamkeit und einer sorgfältigen Quellenkritik. Dies gilt auch für eine historiographische Methode, die in diesem Seminar insbesondere vorgestellt und von den Studierenden erprobt werden soll, dem der Zeitzeugeninterviews. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Tierheim „Wau-Mau-Insel“ werden die Studierenden Zeitzeugeninterviews mit den Mitarbeiter_innen des Tierheims durchführen, um auf diesem Weg Informationen über Tiere zu sammeln, die als historische Quellen nutzbar gemacht werden können. Diese Interviews sollen transkribiert und ausgewertet und im Rahmen eines E-Learning Projektes veröffentlicht werden.
Ziel des Seminares ist es, dass sich die Studierenden mit historiographischen Annäherungen der Tiergeschichte in der Form von „Animal Biography“ auseinandersetzen und verschiedene methodische Zugriffe kennen lernen. Gleichsam sollen sie sich mit der Geschichte der Haustierhaltung von ihrem Beginn bis zur heutigen Zeit in groben Zügen vertraut machen, wobei der Hauptfokus auf dem 19. Jahrhundert liegen wird.
Literatur:
- Erika Fudge, 2004, »Animal Lives«, in: History Today, Vol. 54, Nr. 10, 2004, S. 21-26.
- Harriet Ritvo. The animal estate: The english and other creatures in the victorian age. Cambridge: Harvard University Press, 1987.
- Kathleen Kete, The Beast in the Boudoir: Petkeeping in Nineteenth-Century Paris (Berkeley: University of California Press, 1994).
- Zeitzeugeninterviews
Seminar
Dienstags, 16-18 Uhr
Arnold-Bode 10, Raum 0104
Tierfilme, Tierdokumentationen und Dokusoaps sind aus der heutigen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Doch sie waren schon zu Beginn des Fernsehens alles Massenphänomen ein Genre, welches den Fernsehalltag nachhaltig mitbestimmte. Insbesondere die populären Zoosendungen, der 50er und 60er Jahre hatten dabei durchaus auch politische Funktionen und dienten gleichsam als ein vermeintlich unpolitisches Genre. In diesen Filmen wurden nicht nur Tiere dargestellt: gleichsam vermittelten diesen Filme auch Vorstellungen davon, wie menschliche Gesellschaften zu funktionieren hatten. Dies zeigt sich auch darin wie prominent West- und Ostfernsehen Tiersendungen präsentierte. Doch nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Rundfunk, im Kino und in Zeitschriften kam dem Tier die Funktion als ordnendem Gegenüber zu.
In diesem Seminar werden wir uns mit der ganzen Bandbreite dieses Genres beschäftigen, den Fernseh- und Kinofilmen (z.B. Serengeti darf nicht sterben“ und „Lassie“), den Rundfunksendungen aus dem Zoo (Z.B. „Im Tierpark belauscht“) und der populären Jugendzeitschriften (z.B. „Der kleine Tierfreund“) und dabei zweierlei Ebene untersuchen. Zum einen wollen wir und allgemein mit der Funktion von Tieren in populären Medien aus historischer Perspektive nähern und dabei Analysemittel kennenlernen, mit denen wir diese als historische Quellen nutzbar machen können. Dabei soll ein Zugang gewählt werden der, tiergeschichtlich orientiert, die Wichtigkeit der Präsenz der Tiere für diese Geschichte herausstreicht. Zum zweiten wollen wir uns mit zeitgeschichtlichen Fragestellungen der deutsch-deutschen Geschichte der 1950er und 1960er Jahre befassen und den Tierfilm als Aufhänger für eine kulturgeschichtliche Annäherung an die Nachkriegszeit, die Blockbildung und den Kalten Krieg wählen.
Ziel des Seminars ist es, dass die Studierenden das methodische Handwerkszeug für die Nutzung von kulturgeschichtlichem Quellenmaterial erhalten und lernen, über die Analyse dieser Medien Aussagen über die gesellschaftlichen Verhältnisse der 1950er und 1960er Jahre machen zu können. Ferner sollen sie lernen, tiergeschichtliche Zugänge nutzbar für die Schreibung der deutsch-deutschen Geschichte zu machen.
Literatur:
- Maren Möhring, Massimo Perinelli, Olaf Stieglitz (Hrsg.), Tiere im Film. Eine Menschheitsgeschichte der Moderne, Köln 2009.
- Anna-Katharina Wöbse, Der Kleine Tierfreund – zur Jugend der deutschen Ökobewegung. In: Udo Simonis (Hrsg.), Jahrbuch Ökologie 2007. München 2006, S. 131-142.
- Christoph Kleßmann, Spaltung und Verflechtung. Ein Konzept zur integrierten Nachkriegsgeschichte, in: ders./Peter Lautzas (Hrsg.), Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte als wissenschaftliches und didaktisches Problem, Bonn 2005, S.20-37.