Wintersemester 2015/16
Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2015/16
Was haben Zoos mit bürgerlicher Kultur zu tun, wie lassen sich die Epoche des Kolonialismus und des Imperialismus im Zoo wiederfinden und was machte eigentlich den „deutschen Zoo“ im Nationalsozialismus aus? Dies sind nur einige Fragen, die in diesem Seminar angesprochen werden sollen. Dabei werden, ausgehend von der ersten Zoogründung im Jahr 1827 in London, Ideen und Konzepte zoologischer Gärten Betrachtung finden. Zoos gelten als hochgradig symbolische Orte, an denen sowohl Herrschaftssicherung, koloniale Ideologien und nationaler Wettbewerb praktiziert als auch die bürgerliche Nachfrage nach Voyeurismus und naturwissenschaftlicher Aufklärung befriedigt wurden. Das Tier spielt dabei sowohl eine Vermittlerrolle, über dessen Körper soziale Aushandlungen stattfanden. Gleichsam aber stellt es auch einen Wertgegenstand für sich in dieser Vermittlung dar: Je exotischer die Tiere, die für die Zoos erworben werden konnten – dies galt jedenfalls noch im 19. Jahrhundert – desto prestigeträchtiger war dies für den Zoo. Im 20. Jahrhundert changierte die Rolle des Zoos. In den Vordergrund gerückt wurden die direktere Interaktion mit dem Tier einerseits, und die Konzentration auf die Erhaltung bestimmter Arten andererseits.
Anhand von ausgewählter Sekundärliteratur und Originalquellen soll in diesem Seminar einerseits ein Überblick über die Geschichte der zoologischen Gärten in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern gegeben werden. Dabei wird gezeigt werden, inwieweit über die Geschichte des Zoos auch allgemeinere Aussagen zur Geschichte der Neuzeit getroffen werden können, über die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, der kolonialen Idee, der Nationalismen des 20. Jahrhunderts usw. Dabei soll anderseits ein Fokus auf der Quellenlesung liegen und damit der Frage, welche Quellen wir nutzen können, um aus einer Geschichte des Zoos auch eine Geschichte der Tiere zu machen.
Ziel des Seminars ist also, die Geschichte der Zoologischen Gärten rezipieren sowie Quellen einordnen und kontextualisieren zu können. Gleichsam sollen die Teilnehmer_innen in die Lage versetzt werden, Aussagen über den historischen Kontext von den Zoologischen Gärten und damit über die sozialen Veränderungen des 19. Und 20. Jahrhunderts machen zu können.
Literatur:
- Eric Baratay: Zoo: Von der Menagerie zum Tierpark. Berlin: Wagenbach 2000.
- Annelore Rieke-Müller: Der Löwe brüllt nebenan. Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833 – 1869. Köln: Böhlau 1998.
- Nigel Rothfels: Savages and Beasts: The Birth of the Modern Zoo. Baltimore: Johns Hopkins Univ. Press 2002.
- Tierstudien „Zoo“ H.7 2015
Wie schreibt man die Geschichte von Tieren? Wie kann man Ihren Spuren in von Menschen verfasste Quellen folgen? Kann man von einzelnen Individuen auf ganze Spezies schließen und andersherum? Fragen wie diese treiben die historischen Human-Animal Studies um und mit dem Versuch ihrer Beantwortung wollen sie auf die Zentralität des Tieres für die menschliche Geschichte verweisen. Ein Weg, der von Tierhistoriker/innen beschritten wird, ist der über biographische Forschung. „Animal Biography“ bedeutet hier der Versuch, über die Lebensgeschichte einzelner Tiere, methodische Wege zu entwickeln, Tiere zu historisieren, ohne in der reinen Naturgeschichte zu verbleiben.
Inhaltlich wird sich das Seminar zunächst mit der theoretischen Fundierung tierbiographischer Forschungen auseinandersetzen und die Frage erörtern, welche historiographischen Modelle sich für die Umsetzung des Schreibens von Tierbiografien eignen, wobei in einen breiten Fundus kulturwissenschaftlicher und kulturhistorischer Texte der Human-Animal Studies eingeführt werden soll. Grundsätzlich geht es auch darum, sich mit der Biographie selbst – jenseits des animalischen – auseinanderzusetzen.
Im zweiten Teil des Seminars wird dann praktisch ausgetestet, inwieweit mithilfe verschiedener Quellentypen und unter Berücksichtigung der theoretischen Einführung, Tierbiographien verfasst werden können.
Ziel des Seminars ist es, mithilfe der Fragestellungen der Tierbiografie den Studierenden einerseits die Relevanz methodisch-theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu vermitteln und anderseits aktuelle Fragen der Tiergeschichte zu diskutieren.
Literatur:
- Erica Fudge: Animal Lives, in: History Today, Vol. 54, Nr. 10, 2004, S. 21-26.
- Jacques Derrida: Das Tier, das ich also bin. Wien: Passagen 2010.
- Margo de Mello: Speaking for Animals: Animal Autobiographical Writing. London: Routledge 2012.
- Susan McHugh: Animal Stories: Narrating across Species Lines. Minneapolis: University of Minnesota Press 2011.