Wintersemester 2022/23
Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2022/23
Expansive Nationalstaaten, wie das unter preußischer Führung entstehende Deutsche Kaiserreich, haben stets ein breites Programm an Repräsentationsformen zur Selbstdarstellung und Legitimation entwickelt. Sie haben kulturelle Grenzen überschritten und sich tatsächlich oder in ihrem Selbstverständnis, in ihrer Ideologie oder ihrer Planung als neue Figurationen präsentiert. Mit Staatengründung kamen die Einrichtungen von sinnbildlichen und materiellen Infrastrukturen hinzu. Neben symbolischen und performativen Akten spielten dabei seit dem Altertum architektonische, gartenkünstlerische und städtebauliche Ausdrucksformen eine zentrale Rolle. Im Falle Berlins, als neuer Hauptstadt des Reiches, die einerseits zwar aus vielen kleinen Städten und Dörfern quasi zusammengewürfelt worden war, andererseits jetzt aber städteplanerisch auch neu skizziert werden musste, um diesen herrschaftlichen Ausdrucksformen Gesicht zu verleihen, lassen sich gleich mehrere Ebenen dieser Herrschaftsinszenierungen aufzeigen, weil auch die Regimewechsel vom Kaiserreich, über die Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus, DDR und BRD ihre Spuren in der Planung hinterlassen haben.
Aus diesem Grund sind insbesondere Infrastrukturen zentraler Untersuchungsgegenstand einer kulturgeschichtlich ausgerichteten, historischen Stadtforschung, die für die Ergründung von nationalen Meistererzählungen eine mikrohistorische Perspektive anbietet. In einer gemeinsamen Erkundung von geplanten (z.B. "Welthauptstadt Germania") und umgesetzten Instanzen solcher Herrschaftsinszenierungen (z.B. Stadtschloss und Lustgarten, Olympiastadion und Olympisches Dorf, Palast der Republik und Marx-Engels-Forum, Regierungsviertel) in Berlin soll den Studierenden in diesem Forschungsseminar die Möglichkeit eröffnet werden, sowohl die Ausgestaltung der physischen Infrastrukturen wie auch die damit verbundene mentalen Ordnungen durch eine historische Perspektive zu erkunden.
Ziel des Seminars ist die historische und räumliche Betrachtung der freiraumplanerischen und politisch-administrativen Ausgestaltung von Macht und Herrschaft innerhalb der Stadt Berlin. Die Studierenden bearbeiten einzelne Forschungsfragen, die mit der Erzählung von Herrschaft über die Stadtplanung, der Errichtung bestimmter städtischer Infrastrukturen oder ästhetischer Ausdrucksmittel einhergehen. Das Seminar wird zwei Einführungsveranstaltungen haben. die konkrten Forschungen und Begehungen finden dann auf einer gemeinsamen viertägigen Forschungsexkursion nach Berlin vom 15.-19. November statt.
Das Einführungsmodul in den Master „Geschichte und Öffentlichkeit“ soll den Studierenden einen ersten Überblick über die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen der Public History bzw. der Geschichte in der Öffentlichkeit liefern. Public History bedeutet zunächst die Darstellung und Vermittlung von Geschichte in, für und durch die Öffentlichkeit. Für Historiker*innen, die in diesem Bereich tätig sind, bedeutet es aber auch diese Geschichte inhaltlich und medial mitzugestalten und zugleich deren kognitive, politische, ästhetische und ökonomische Dimensionen zu erforschen. Das Seminar thematisiert hier die zentralen Zusammenhänge von wissenschaftlicher Erkenntnis und öffentlichkeitsorientierter Vermittlung. Es vermittelt methodische und theoretische Zugänge der Geschichtswissenschaft und erfasst die Bedeutung der praxisrelevanten Anwendung, zum Beispiel für die Erinnerungspolitik.
Das Seminar ist zweiteilig aufgebaut: Zu einem erhalten die Studierenden einen Überblick darüber, wie Geschichte und Öffentlichkeit epochenabhängig verhandelt wird. Hierzu liefern die Fachgebiete Alte Geschichte, Mittelalterliche Geschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit, Neuere und Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte in 5 Sitzungen jeweils kurze Inputvorträge und diskutieren mit den Studierenden die Wichtigkeit des Ansatzes von Geschichte und Öffentlichkeit für die Vermittlung der Geschichte der jeweiligen Epoche.
Gemeinsam soll im Seminar dann, aufbauend auf diesen allgemeinen Erkenntnissen, die Rolle sozialer Medien für die Vermittlung von Geschichte diskutiert bzw. der Stand sog. digitaler Geschichtsschreibung reflektiert werden. Zu diesem Zweck werden wir gemeinsam einen (digitalen) Workshop vorbereiten, zu dem auch ausgewiesene Expert:innen bzw. Anwender:innen eingeladen werden sollen.
Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.
Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.