Forschungsschwerpunkte

Leitung einer religionspädagogisch-empirischen Unterrichtsforschungsgruppe

Die Forschungsgruppe, die aus studentischen, wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und Religionslehrkräften besteht, verfolgt das primäre Ziel, empirische Unterrichtsforschungsstudien (2015 bis 2021: Gespräche im Religionsunterricht“, 2022 bis heute RaP: Religionsunterricht am Puls der Zeit) durchzuführen. Ein sekundäres Ziel ist es, die erworbenen empirischen Daten für die hochschuldidaktische Lehre aufzubereiten und einzuspielen (videographierte Unterrichtsstunden und Interviewaufnahmen und Transkripte).


(1) RaP: Religionsunterricht am Puls der Zeit: Interviewstudie mit Religionslehrkräften (seit 2022)

Ziel der Studie ist es herauszufinden, wie (und ob) gesellschafts- und kirchenpolitisch aktuelle Themen im Religionsunterricht eine Rolle spielen, welche Relevanz ihnen zugesprochen wird und inwiefern diese von Religionslehrer*innen oder Schüler*innen zum Unterrichts- und Gesprächsgegenstand gemacht werden. Das Interesse liegt neben konkreten Unterrichtserfahrungen auch auf der Motivation einer Thematisierung. Ebenso werden die damit verbundenen Chancen und Zielperspektiven für religiöses Lernen sowie die besonderen Herausforderungen und Hürden bei der praktischen Umsetzung in religionsunterrichtlichen Settings in den Blick genommen.

In einem ersten Teil von RaP wurde ausgehend von einer Interviewstudie mit Religionslehrkräften aller Schulstufen die Innenansicht der Lehrkräfte auf ihren Unterricht und die von ihnen mitgebrachte Expertise erhoben. Es interessieren das Zur-Sprache-Kommen (-Lassen) und Behandeln von brand- und tages-aktuellen, gesellschaftlich und kirchlich relevanten Themen im Religionsunterricht, die damit verbundenen Akteur*innen sowie gesprächsbedingenden Faktoren (heterogene Lerngruppen, globalisierte Krisen, kontextuelle schulische Rahmenbedingungen).

Im vierten Quartal 2022 wurden 16 Lehrkräfte aller Schularten mittels eines Leitfadeninterviews mit offenen Erzählimpulsen und geschlossenen Fragen zu ihren Unterrichtserfahrungen mit brandaktuellen Themen befragt. Zu Beginn wurden die Lehrkräfte mit einem Erzählimpuls offen dazu eingeladen, aus ihrer Unterrichtspraxis zu erzählen und von konkreten Unterrichtsszenen, Stundenverläufen oder Projekten zu brandaktuellen Themen zu berichten. Im Anschluss folgten gegebenenfalls leitfadenorientierte Fragen nach Motivation, den Initiator*innen, den Herausforderungen und am Schluss die Frage nochmals, welche Themen sie derzeit als brandaktuell und relevant für den Religionsunterricht ansehen. Die Auswertung der Interviews, die noch nicht abgeschlossen ist, erfolgt sowohl inhaltsanalytisch nach Mayring sowie durch eine semantisch-syntaktische Intensivanalyse erzählender und dichter Interviewpassagen. So sollen gelungene Unterrichtsbeispiele aber auch Hinderungsfaktoren für das Behandeln brandaktueller Themen im Religionsunterricht herauskristallisiert werden. Eine Publikation der Erkenntnisse des ersten Teils ist für 2025 im Kohlhammerverlag geplant.

Aufbauend auf die Ergebnisse der Befragung der Religionslehrkräfte sollen in einem zweiten Teil im Rahmen fachdidaktischer Entwicklungsforschung sollen Gesprächsformate zirkulär erarbeitet, erprobt, durchgeführt (aufgezeichnet) und reflektiert werden. In Kooperation zwischen Universität und Schule(n) soll die Bearbeitung solcher Themen im (Religions-)Unterricht im Sinne gesellschaftlicher Verantwortung und unter dem Anspruch demokratischer Sprachfähigkeit gelingend begleitet werden.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen schließlich in einem dritten Teil in das Erstellen von Unterrichtsmaterial in Form von makroadaptiven Manuals für didaktische Gesprächsformate münden. Diese Gesprächsformaten sollen helfen und Orientierung geben, aktuelle Themen, wie beispielsweise „Krieg“ und „politische Krisen“, Raum zu geben und diese angeleitet gelingend bearbeiten zu können, um so letztlich auch das Zutrauen der Lehrkräfte zu stärken, am Puls der Zeit zu unterrichten.


(2) Gespräche im Religionsunterricht. Ein empirisches Unterrichtsforschungsprojekt

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Das Kasseler Unterrichtsforschungsprojekt „Gespräche im Religionsunterricht“ untersuchte die Initiierung und Gestaltung von religiösen Lernprozessen bei Kindern und Jugendlichen im Religionsunterricht. Anhand von videografierten Unterrichtsaufzeichnungen der Sekundarstufe I wurde erfasst und erforscht, wie Religionslehrer*innen Unterrichtsgespräche inszenieren und wie diese Unterrichtsgespräche in ihrer Dynamik verlaufen. Das Ergebnis wurde in einem umfangreichen Buch mit meinen Mitarbeitern Anfang 2022 veröffentlicht.


(3) Darstellung sexualisierter Gewalt in Bibel und Religionsunterricht (gemeinsam mit Ilse Müllner). Ein Lehr-Lern-Forschungsprojekt

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Als Teilprojekt von PRONET 1 und 2 wurde dieses interdisziplinäre Forschungsprojekt zwischen der Bibelwissenschaft und der Religionspädagogik durch die Qualitätsoffensive Lehrer*innenbildung vom BMBF gefördert. Ziel des Projektes ist es, professionell gerahmtes Sprechen über sexualisierte Gewalt im Religionsunterricht zu ermöglichen und hierdurch einen Beitrag zur Enttabuisierung und sodann zur Primärprävention zu leisten. Seit dem SoSe 2020 wurde im Rahmen des Projekts ein Studienprofil „Über sexualisierte Gewalt im Religionsunterricht reden“ konzipiert und initiiert. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurden deutschlandweite Tagungen durchgeführt, 2022 in Münster und 2024 in Stuttgart. Im Jahr 2024 wurde dazu prominent publiziert: Annegret Reese-Schnitker, Andreas Heek, Aurica Jax, Ilse Müllner: Zur Sprache bringen. Biblische Texte und sexualisierte Gewalt in Pastoral und Schule, Ostfildern 2024.


(4) Interreligiöse Kompetenz in der Religionslehrer*innenbildung (gemeinsam mit Ilse Müllner und Mirja Kutzer). Ein Lehr-Lern-Forschungsprojekt

Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Erprobung eines interdisziplinär vernetzten Lehrkonzepts innerhalb der theologischen Lehrer*innenausbildung. Nachdem in PRONET 1 das Konzept entwickelt wurde, wurden in PRONET 2 die geschaffenen Strukturen etabliert und mit dem Schwerpunkt auf interreligiöser Bildung vertieft. Im SoSe 2020 wurde ein Studienprofil „Interreligiöse Kompetenz“ konzipiert. Zudem wird eine Trilogie zu den durchgeführten interreligiösen Ringvorlesungen publiziert. Heilige Texte (2023), Heilige Räume (2024) und Heilige Zeiten (geplant für 2025).


(5) Geschlechtergerechtigkeit in der Religionslehrkräfteausbildung – Evaluation eines Lehrkonzepts zu Geschlechtergerechtigkeit

Anknüpfend an die Zielsetzungen der Universität Kassel zur Etablierung des Zentrums für nachhaltige Entwicklung und die zentralen Richtlinien für Chancengleichheit, Gender & Diversity beabsichtigt das Institut für Katholische Theologie am Fachbereich 02, Geistes- und Kulturwissenschaften, die Sensibilität für und Perspektive auf Gender und Diversity in den Lehramtsstudiengängen für Theologie zu stärken. Retraditionalisierungen in Kirche und Gesellschaft stellen für die Genderforschung eine aktuelle Herausforderung dar, der mit der differenzierten und fachlich breiten Bearbeitung begegnen werden muss, um zukünftige Religionslehrer*innen machtkritisch, gendersensibel und theologisch kompetent auszubilden. Gleichzeitig mit diesen traditionalistischen Bestrebungen kann in den letzten Jahren auch eine wachsende Sensibilisierung und erhöhtes Interesse für Geschlechterthemen unter den Studierenden wahrgenommen werden, der mit diesem Lehrschwerpunkt für 2023/2024, welcher von der Gleichstellungskommission gefördert wurde, entgegengekommen wird.

Geplant ist eine empirische Begleitforschung der angebotenen Lehrveranstaltungen in diesen Jahren. Es werden Interviews mit Studierenden geführt, vor und nach den Studientagen und Lehrveranstaltung. Damit sollen vor allem die neu eingerichteten Lehrformate zur Geschlechtergerechtigkeit evaluiert werden.


(6) Curriculare Kohärenz in der Lehrer*innenbildung (Leiterin der Innovationseinheit I in PRONET 2022 bis 2023)

Curriculare Kohärenz beschreibt ein bedeutsames Qualitätsmerkmal der Lehrer*innenbildung. Die Professionsbereiche Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungs- und Gesellschaftswissenschaft sind in den Themen, Prozessen und Zielen fachlich und didaktisch sinnvoll aufeinander zu beziehen, in der Lehre sowie in der Forschung. Die hier gewonnenen Erkenntnisse wurden auf die Religionspädagogik bzw. auf die universitäre Ausbildung von Religionslehrkräften übertragen und publiziert:


(7) FMNR im katholischen Religionsunterricht (Katholische Religionspädagogik, Katholische Theologie, Engelsburg Gymnasium, Herkulesschule)

In Kooperation mit dem Bildungsprojekt „BNE konkret: FMNR“ des ZLB der Universität Kassel, in dem die Integration des Querschnittsanliegens Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Bildungsprozesse weiter gestärkt wurde. Beteiligt daran sind u.a. sechs lehrerbildende Fachgebiete der Universität Kassel, acht Schulen, die Stadt Kassel, außerschulische Bildner:innen der Region und das Studienseminar Bad Vilbel.

LINK: https://www.uni-kassel.de/einrichtung/zlb/forschung-innovationsprojekte/bne-konkret-fmnr

Im Kontext des Bildungsprojekts BNE konkret: FMNR“ ist ein religionspädagogisches Seminar für Lehramtsstudierende des Fachs katholische Religion entstanden, das im Sommersemester 2023 erarbeitet und erstmals durchgeführt wurde. In dieser Lehrveranstaltung wurden religionsdidaktische Konzepte der religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung analysiert und diskutiert. Im Zentrum stand das Vorbild-Lernen, wobei der Fokus exemplarisch auf Tony Rinaudo lag. Ein besonderes Highlight bestand darin, dass die Studierenden Tony Rinaudo persönlich kennenlernen konnten: Diese Begegnung erwies sich als äußerst inspirierend und motivierend.

Das Seminar verfolgte das Ziel, fachübergreifende Unterrichtsmaterialien basierend auf Rinaudos Leben und der FMNR-Methode zu entwickeln, die es Schüler:innen ermöglichen, ethische und religiöse Kompetenzen zu erwerben. In Zusammenarbeit mit dem Engelsburg-Gymnasium und der dortigen Geografie-Lerngruppe wurden zwei Doppelstunden konzipiert, durchgeführt und reflektiert. In der ersten Doppelstunde ging es darum, Vorbilder für Nachhaltigkeit kennenzulernen und zu vertiefen; die zweite Doppelstunde widmete sich der Frage nach biblischen Argumentationen für nachhaltige Entwicklung. Daran anschließend entwickelten die Schüler:innen eigene Motivationen und Ideen, wie sie selbst zum Local Hero für nachhaltige Entwicklung werden können.

Im Wintersemester 2023/2024 wurde ein Folgeseminar unter dem Titel „Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung: Seminar mit Unterrichtsbezug“ angeboten. Der Schwerpunkt lag nun auf dem Religionsunterricht in der Grundschule. Gemeinsam mit der Herkules-Grundschule wurden erneut vier Unterrichtsstunden konzipiert, durchgeführt und reflektiert. Die kontinuierliche Zusammenarbeit und die praxisorientierte Ausrichtung des Seminars boten den Studierenden wertvolle Einblicke und praxisrelevante Erfahrungen.

Das Bildungsprojekt „BNE konkret: FMNR“ des Zentrums für Lehrer:innenbildung erhielt die nationale Auszeichnung „Bildung für nachhaltige Entwicklung: die globalen Nachhaltigkeitsziele verwirklichen (BNE 2030)“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Deutschen UNESCO-Kommission!

Der Link zur Pressemitteilung: https://www.uni-kassel.de/uni/aktuelles/meldung/2024/10/2/bildungsprojekt-ausgezeichnet?cHash=95a3d3dc9170d1d800bbf64f87ef5db6


(8) Weitere Forschungsthemen

  1. Leistungsverständnis und Leistungsbewertung im Religionsunterricht
  2. Krieg und Gewalt aus religionspädagogischer Perspektive (Diskurse zu Ansätzen der Friedenspädagogik, Geschlecht und Gewalt, Gewalt in der Schule)
  3. Anfragen an und Konsequenzen für religiöse Erwachsenenbildungsarbeit durch die empirische Wahrnehmung religiöser und nicht-religiöser Formen der Lebensgestaltung und Weltdeutung von Frauen und Männern angesichts der (religiös) pluralen Gegenwartssituation
  4. Zeitgenössische Kunst als Anlass für religiöses Lernen
  5. Migration, Flucht und Vertreibung als theologische und religionspädagogische Herausforderungen
  6. Biographisches Lernen