Sprachbildung und DaZ-Förderung
Konzepte zur Planung und Umsetzung von sprachbewusstem Fachunterricht in sprachlich heterogenen Klassen
1. Dezember 2018
Am 1. Dezember 2018 fand im Campus Center der Universität Kassel die Fachtagung „Sprachbildung und DaZ-Förderung – Konzepte zur Planung und Umsetzung von sprachbewusstem Fachunterricht in sprachlich heterogenen Klassen“ statt. Die von der Hessischen Lehrkräfteakademie als Lehrerfortbildung akkreditierte Veranstaltung wurde im Rahmen des Kasseler Projekts „Professionalisierung durch Vernetzung (PRONET) der bundesweiten „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ ausgerichtet.
Eröffnet wurde die Tagung durch Prof. Dr. Karin Aguado, Prof. Dr. Olaf Gätje und Dr. Andrea Bambek. In der Eröffnung wurde skizziert und mit aktuellen Zahlen aus Hessens Schulen belegt, dass angehende und praktizierende Lehrer*innen in allen Schultypen zunehmend mit einer sprachlich heterogenen Schülerschaft konfrontiert sind. Die Lehrer*innenausbildung sollte deshalb in allen Phasen Elemente in den Bereichen DaZ und Sprachbildung enthalten. Dies ist in vielen Bundesländern in Form von verpflichtenden Modulen bereits in der ersten Phase der Lehrkräftebildung realisiert. In Hessen gibt es ein solches verpflichtendes DaZ-Modul zur Zeit noch nicht. An der Universität Kassel wird im vom BMBF-geförderten Drittmittelprojekt „Deutsch als Zweit- und Fremdsprache in der Lehrer/innenbildung“ des Fachgebiets DaFZ daher ein DaZ-Basismodul entwickelt, erprobt und evaluiert, das angehende Lehrkräfte auf den qualifizierten Umgang mit sprachlicher Heterogenität vorbereitet. Über die bisherigen Ergebnisse des Projekts berichtete Frau Prof. Dr. Karin Aguado. Die Teilnehmer*innen konnten sich über das Projekt auch im Rahmen einer Posterpräsentation informieren.
In seinem Eröffnungsvortrag „Fachlernen als Sprachausbau“ skizzierte Prof. Dr. Udo Ohm (Universität Bielefeld) den Prozess der Sprachentwicklung erwerbstheoretisch (in Sinne eines Sprachausbaus) und zeigte dessen konstitutive Funktion für das Fachlernen auf. Er wies darauf hin, dass sich die sog. Bildungssprache nur bedingt durch Identifizierung und Aufzählung typischer „bildungssprachlicher“ Strukturen charakterisieren lässt. Sprachliche Strukturen sind nicht nur dann schwer verständlich und schwer zu erwerben, wenn sie komplex sind, sondern auch, wenn sie selten vorkommen, unauffällig sind, eine ähnliche Funktion wie andere Strukturen haben und in unterschiedlichen Kontexten/Situationen unterschiedliche Funktionen haben. Fachunterricht muss daher v.a. Gelegenheiten zum Gebrauch von Sprache schaffen und dabei auf die fachlich relevanten sprachlichen Strukturen fokussieren. Der literate Sprachausbau kann nur im Fachunterricht erreicht werden, denn dort wird die literate Artikulation von Sachverhalten mit Blick auf die Aneignung von Wissens- und Denkstrukturen erwartet. Herr Ohm illustrierte in seinem Vortrag an mehreren Fallbeispielen, wie fachlichsprachliches Scaffol-ding zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen bzw. bei Schüler*innen untereinander funktionieren kann.
In vier Workshops, die jeweils am Vormittag und am Nachmittag stattfanden, ging es um konkrete Praxisbeispiele und Unterrichtsszenarien rund um den sprachbewussten Fachunterricht in verschiedenen Fächern.
Prof. Dr. Magdalena Michalak (Universität Erlangen-Nürnberg) bot einen Workshop zum Thema „Ge-schichte sprachbewusst – aber wie?“ an und zeigte auf, wie das historische Lernen an die für das Fach spezifische Denk- und Arbeitsweise gekoppelt ist. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung war der Umgang mit Quellen und nichtlinearen Darstellungsformen. Frau Michalak gab verschiedene Anregungen, wie man Geschichtsunterricht sprachlich unterstützen kann. Diskutiert wurde auch, welche handlungsorientierten und sprachbewussten Lernformen sich bei der Vermittlung an außerschulischen Lernorten umsetzen lassen.
Prof. Josef Leisen OStD. a. D. (Mainz) beleuchtete in seinem Workshop „Die doppelten Sprachhürden und der Sprachschock der DaZ-Lerner im MINT-Unterricht“ u.a. die Frage, was der Hintergrund des Sprachschocks ist und wie er gemindert werden kann. Herr Leisen zeigte auf, dass Sprachbildung Teil der Kompetenzentwicklung im Fach ist und damit eine originäre Aufgabe jeder Fachlehrkraft. An zahlreichen Beispielen aus den MINT-Fächern wurde gezeigt, wie Sprachbildung in diesen Fächern gelingen kann.
Dr. Andrea Bambek (Universität Kassel) übernahm kurzfristig die Leitung des dritten Workshops, da Sven Oleschko (Universität Münster) krankheitsbedingt absagen musste.
In der Veranstaltung mit dem Titel „Sprachbildung und DaZ-Förderung“ wurden zunächst die sprachlichen Register Alltags- und Bil-dungssprache charakterisiert. Anschließend wurde der Blick auf typische sprachliche Handlungen in den Fächern Gesellschaftslehre und Geschichte gerichtet. Abschließend wurden erprobte Unterrichtsvorhaben und Materialien für die Sekundarstufe I und II mit Blick auf den Scaffolding-Ansatz analysiert und diskutiert.
Tanja Fohr, StR.i.H (Universität Kassel) nahm in ihrem Workshop „Wege der integrierten Sprachbildung im Kunstunterricht - Bildkompetenz zur Sprache bringen?“ die musisch-ästhetischen Fächer in den Blick. Sie betonte die Wichtigkeit des reflektierten und kompetenten Umgangs mit Bildern in der Mediengesellschaft.
Im Workshop wurde anhand von konkreten erprobten Unterrichtsbeispielen dar-gestellt, wie sprachsensibler Kunstunterricht unter Zuhilfenahme von Scaffolding handlungsorientiert geplant und umgesetzt werden kann.
Im Rahmen des Praxisforums formulierten vier Gäste aus Schul- und Hochschulpraxis und aus der Bildungspolitik kurze Statements zum Tagungsthema und standen anschließend für eine Diskussion mit dem Publikum zur Verfügung.
Gisela Uhlenbrock (Lehrerin für die Fächer Deutsch und Latein am Goe-the-Gymnasium und Mitglied des Schulleitungsteams, Kassel) erläuterte, wie ein weitergehendes fä-cherübergreifendes Konzept zum sprachsensiblen Unterricht an ihrer Schule erarbeitet wird. Nasser Faradjollahi-Liedtke (Lehrer für Deutsch und Arbeitslehre an der Theodor-Heuss-Schule in Baunatal und Pädagogischer Mitarbeiter am Institut für Berufsbildung der Universität Kassel) betonte u.a. die Wichtigkeit der Fortbildungskurse für Lehrkräfte aller Schulzweige und wies darauf hin, dass Deutsch als Zweitsprache unabhängig von gerade aktuellen gesellschaftlichen Debatten eine zentrale Rolle in allen Phasen der Lehrer*innenbildung spielen sollte.
Nasser Faradjollahi-Liedtke (Lehrer für Deutsch und Arbeitslehre an der Theodor-Heuss-Schule in Baunatal und Pädagogischer Mitarbeiter am Institut für Berufsbildung der Universität Kassel) betonte u.a. die Wichtigkeit der Fortbildungskurse für Lehrkräfte aller Schulzweige und wies darauf hin, dass Deutsch als Zweitsprache unabhängig von gerade aktuellen gesellschaftlichen Debatten eine zentrale Rolle in allen Phasen der Lehrer*innenbildung spielen sollte.
Marcus Kourdji (Pädagogischer Mitarbeiter am Institut für Germanistik an der Universität Kassel) beleuchtete die Sicht der Lehramtsstudierenden, die bereits im Praxissemester mit der zunehmenden sprachlichen Heterogenität konfrontiert werden und sich nur ungenügend darauf vorbereitet fühlen. Anne Janz (Stadträtin für Jugend, Frauen, Gesundheitund Bildung der Stadt Kassel) legte die Sicht der kommunalen Bildungspolitik dar und unterstrich u.a. die Wichtigkeit der ganzheitlichen und frühen Sprachförderung.
Im abschließenden Fazit von Prof. Dr. Karin Aguado und Prof. Dr. Olaf Gätje wurde deutlich, dass die Themen Sprachbildung und Sprachsensibler Unterricht auf großes Interesse stoßen und in allen drei Phasen der Lehrer*innenbildung in Zusammenarbeit mit wichtigen Akteuren der Lehrer*innenbildung den ihnen gebührenden Platz einnehmen sollten.