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„Unzuverlässigkeit der Bahn schadet dem gesamten Öffentlichen Verkehr“
Sommer begrüßt, dass die Politik die Bahn stärken und die Bahn bis 2030 den „Deutschland-Takt“ einführen wolle. Doch das gegenwärtige System „Bahn“ bewältige schon die bisherige Leistungssteigerung nicht, und in „zunehmenden Umfang beeinflussen Bau- und Instandhaltungsarbeiten den Betrieb“, heißt es in dem Papier. Um die Situation nicht weiter zu verschärfen, sondern eine Normalisierung zu ermöglichen, sollte eine Reduktion des Angebots auf der Schiene „für eine begrenzte Zeit kein Tabu sein“. Mit „Vorrang“ sei zu klären, welche Netzbelastungen für einen stabilen und pünktlichen Betriebsablauf „tatsächlich verträglich sind“ und welche Reserven benötigt werden, um wieder zuverlässig und pünktlich fahren zu können. Für die Fachleute „muss die Frage erlaubt sein, ob das zu schaffen ist“, angesichts der gegenwärtig nicht akzeptablen Qualität in relativ kurzer Zeit die angestrebte Verdoppelung der Nachfrage zu erreichen. Nötig sei die „systematische Ableitung von Maßnahmen im gesamten Verkehrssystem“ einschließlich des Individualverkehrs, um das Nachfrageziel im Schienenverkehr zu erreichen. „Die angestrebte Verdoppelung des Schienenverkehrs setzt eine Analyse des Gesamtsystems von öffentlichem und Individualverkehr voraus“, sagt Sommer.
Pünktlichkeit: Der Trend weist abwärts
Stattdessen veröffentliche die Bahn mit „inzwischen eingespielter Routine“ inakzeptable Zahlen zur Pünktlichkeit, gebe zuvor aufgestellte Pünktlichkeitsziele auf und kündige spürbare Verbesserungen an, die aber für den Fahrgast ausblieben. Weniger als 70 Prozent der Ankünfte seien nach den jüngsten Angaben der Bahn pünktlich, sagt Sommer. Als unpünktlich gelten Züge mit sechs Minuten Verspätung. „Der Trend weist abwärts. Eine nachhaltige Verbesserung scheint nicht in Sicht“, heißt es im Papier. Zudem sage der Pünktlichkeitswert für den einzelnen Zug nichts darüber aus, mit welcher Pünktlichkeit der Fahrgast sein Ziel erreiche, wenn er den Anschluss zu einem anderen Zug oder zu Straßenbahn und Bus verpasse.
Immer längere Abfertigungszeiten in den Bahnhöfen
Als einen wesentlichen Grund für die Unpünktlichkeit nennen die Fachleute neben Ressourcenproblemen die immer länger werdenden Abfertigungszeiten für die Züge in Bahnhöfen. Die längeren Abfertigungszeiten seien nicht nur eine Folge der steigenden Zahl an Fahrgästen, sondern auch der Fahrzeugtechnik und der Gestaltung der Fahrzeuge. Die Fachleute werfen die Frage auf, ob die Bahn hinreichend berücksichtige, dass dank eines durchgängig barrierefreien Systems immer Menschen reisen, die wegen ihres Alters oder ihrer Bewegungseinschränkungen mehr Zeit beim Ein- und Aussteigen benötigten. Ob die gesellschaftlich und verkehrspolitisch gewollte Zunahme des Radverkehrs, die zur Mitnahme von mehr Rädern in Zügen führe, hinreichend bedacht werde, lautet eine weitere Frage. Angebote wie Rail&Fly und die steigende Nachfrage nach Flugreisen führten dazu, dass immer mehr Reisende große Gepäckstücke mitführten.
Das schwächste Glied in der Transport-Kette beeinflusst den Kunden in der Wahl des Verkehrsmittels
Die Unzuverlässigkeit der Bahn habe Einfluss auf den gesamten ÖV. Denn das schwächste Glied in der Kette der Verkehrsmittel sei entscheidend für die Akzeptanz des ÖV durch den Kunden und seine Wahl des Verkehrsmittels. Es werde über Jahre erhebliche Anstrengungen erfordern, um die Lage zu stabilisieren oder zu verbessern. Die Beiträge, die der technologische Wandel dazu leisten könne, sollten nicht überschätzt werden.
Das Papier des Arbeitsausschusses Öffentlicher Verkehr (ÖV) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) finden Sie hier:
Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer
Universität Kassel
Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrssysteme
E-Mail: c.sommer[at]uni-kassel[dot]de