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Abschlussbericht der 26. Witzenhäuser Konferenz „Der letzte Dreck – Bodenschutz in Politik und Praxis“
Als Lebensraum, Nährstoff- und Wasserspeicher ist Boden die Grundlage unseres Lebens. In menschlichen Zeiträumen lässt er sich nicht aufbauen, zwei Zentimeter Boden brauchen etwa 500 Jahre, er ist also eine begrenzte Ressource. Häufig fehlt dafür jedoch das Bewusstsein und so verlieren wir weltweit jedes Jahr 24 Mrd. Tonnen fruchtbaren Bodens durch falsches Management und Übernutzung. Lässt sich daran etwas ändern? Wer trägt die Verantwortung? Wie sehen gelingende Konzepte und Maßnahmen in der landwirtschaftlichen Praxis aus, um die üblichen Verfahren zu verbessern? Diesen Fragen ging die Witzenhäuser Konferenz vom 4.-8.12.2018 nach.
Die Vormittage boten spannende Vorträge, nachmittags ging es mit vielfältigen Workshops- weiter. Nach einem Einstieg mit Improvisationstheater, einem Vortrag über die Verbindung von Kunst und dem Thema Boden durch Prof. Dr. Wessolek, TU Berlin, und einer „Hummus“-Verkostung am Vorabend, thematisierte der erste Konferenztag politische und gesellschaftliche Aspekte des Bodenschutzes. Dr. Luca Montanarella, Leiter der Forschungsstelle „Bodendaten und Bodeninformationssystem“ der EU-Kommission stellte eindrücklich die Situation von Bodenerosion, Nährstoffauswaschung und Bodenschutzmaßnahmen in unterschiedlichen Ländern der EU vor, Uwe Greff, BioBodengenossenschaft, gab eine Übersicht über Akteuere und Aktivitäten auf dem Bodenmarkt in Deutschland und beruhigte, dass von „Landgrabbing“ in Deutschland per se nicht gesprochen werden kann. Anja Banzhaf, Bürgerinitiative für ein lebenswertes Neu-Eichenberg, berichtete über die Hintergründe eines nahe Witzenhausen auf bestem Ackerland geplanten Logistikgebietes und die Gründe für ihren Widerstand dagegen. Nachmittags wurden in diversen Workshops weitere rechtliche Fragen und Alternativen vertieft wie „Alternativen auf dem Bodenmarkt“, „Boden kann nur schützen, wer Boden hat“ oder „Bodenschutz versus Heimatschutz – Rechtsradikales Gedankengut im Ökolandbau“.
Am zweiten Tagwurden die Praxis und Forschung des Bodenschutzes von Prof. Dr. Birgit Wilhelm, FH Erfurt, eingeleitet. Sie appelierte, einen Dialog zwischen Naturschützer*innen und Landwirt*innen zu beginnen, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die echte Handlungsfreiheit in einer bodenschonenden und damit zukunftsfähigen Landwirtschaft ermöglichen. Anschließend stellte Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Horn, Universität Kiel, ein Konzept für mögliche Grenzwerte der mechanischen Bodenbelastung bei der Bearbeitung und Befahrung vor, durch das eine Degradation von Böden durch Verdichtung verhindern werden kann. Eine tiefgreifende Regeneration brauche Jahrzehnte bis Jahrhunderte, weshalb vorsorgender Bodenschutz besonders wichtig ist, so Horn. Erstaunlich schnell können sich jedoch Böden nach dem Verlust der ursprünglichen Bodenlandschaft erholen, wie Dr. Dirk Knoche, Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften e.V., am Beispiel des Lausitzer Braunkohlebergbaugebietes verdeutlichte. In den Workshops am Nachmittag wurde unter anderem der „Bodenaufbau mit Agroforstsystemen“ behandelt, ebenso die Frage: „Wie beurteile ich meinen Boden?“. Die Auswirkungen von Reifendruck auf die Bodenstruktur konnten im Versuch verdeutlicht werden, außerdem gab es eine Exkursion zum Tannenhof in Bebra, der bodenschonend mit Arbeitspferden wirtschaftet.
Der dritte Tag setzte die Auseinandersetzung über Praxis und Forschung fort mit einem Vortrag von Prof. Dr. Kurt-Jürgen Hülsbergen zu Funktionen des Humus. Anhand von Humusbilanzen verschiedener ökologisch und konventionell wirtschaftender Betriebe erklärte er, welche Faktoren auf die Humusvorräte im Boden wirken und wie eine ausgeglichene Humusbilanz erreicht werden kann. Wie sich hingegen die Wirkung von Glyphosat auf das Bodenleben und die Pflanzen unterscheidet, erläuterten Prof. Dr. Rainer Jörgensen und Prof. Dr. Maria Finckh, beide Universität Kassel. Während die Wirkung auf Bodenmikroorganismen aufgrund von Resistenzen geringer ist als häufig angenommen, wird die Anfälligkeit von Pflanzen beispielsweise für bodenbürtige Krankheiten erhöht. Wie groß der Forschungsbedarf zu den Auswirkungen von Mikroplastik in Böden und Kompost ist, machte Dr. Ruth Freitag von der Univesrität Bayreuth in ihrem Vortrag deutlich. Nachmittags wurde unter anderem die mögliche Nährstoffversorgung in biozyklisch-veganer Landwirtschaft vorgestellt, außerdem gab es Einblicke in das „System Grüne Brücke“ und in die „Potenziale nachhaltiger Beweidung für Bodenfruchtbarkeit, biologische Vielfalt und Klima“. Der vierte Tag stand unter dem Motto „Aktiv werden auf allen Ebenden“ und wurde von Francesco Citarda und Vito Mazzara begonnen, welche die Initiative Libera Terra aus Süditalien vorstellten und deren Erfolg, Land aus Mafiahand wieder in den Besitz von Bäuer*innen zu übergeben. Nach dem Vortrag von Dr. Hildegard Kurt, Institut für Kunst, Kultur und Zukunftsfähigkeit in Berlin, der sich dem gemeinsamen sprachlichen Ursprung von ‚humus‘ und ‚human‘ und der daraus resultierenden Bedeutung für eine zukunftsfähige Gesellschaft widmete, folgte eine Zusammenfassung der vergangenen Tage durch Prof. Dr. Stephan Peth. Als Bodenkundler und Betreuer der Konferenz zeigte er sich begeistert darüber, wie groß das Interesse an dem Thema ist und wie vielfältig die Möglichkeiten sind, es zu betrachten.
Den krönenden Abschluss bildete im Anschluss die Aktion einer Menschenkette, die mit einer „Roten Linie“ ein unmissverständliches Zeichen setzte gegen die potentielle Flächenversiegelung durch das geplante „Sondergebiet Logistik“ in Neu-Eichenberg, nahe Witzenhausen. Trotz der Kälte nahmen knapp tausend Menschen an der Demonstration Teil, rund 30 Trecker vervollständigten das Bild.
Abgerundet wurden die Konferenzinhalte durch ein vielfältiges Rahmenprogramm, das jeden Abend die Möglichkeit gab, sich dem Boden aus anderen Perspektiven zu widmen. Am Mittwochabend gab die Weinprobe Gelegenheit, die Auswirkungen unterschiedlicher Böden im Riesling zu sehen, zu riechen und zu schmecken. Nebenan konnten die Teilnehmer*innen mit Yoga den Boden spüren. Beim Konzert mit Konny Kleinkunztpunk am Donnerstag wurde der Boden beim Tanzen und Mitsingen in Schwingung versetzt. Am Freitagabend fand ein Poetry Slam zum Thema Nachhaltigkeit im Capitolkino Witzenhausen statt. Sieben Slammer*innen trugen Texte voller Wortwitz, spannender Geschichten und Gefühl vor, die mal nachdenklich stimmten, mal den Saal und Boden vor Lachen beben ließen. Anschließend hatte der Internationale Studierenden-Klub Witzenhausens Tür und Tor geöffnet für alle, die noch weiter feiern wollten.
Die von Studierenden organisierte Konferenz richtet sich explizit auch an interessierte Gäste und Praktiker*innen, entsprechend vielfältig waren die Hintergründe der Teilnehmenden. Neben Studierenden saßen Vertreter*innen von Initiativen, Instituten und Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet, Österreich und der Schweiz. Der weite Erfahrungshorizont der Anwesenden bereicherte in vielen Diskussionen und Gesprächen die Konferenz und verkürzte die Pausen. Die Besucher*innen und das Organisationsteam waren sich einig, dass es der 26. Witzenhäuser Konferenz gelungen ist zu beweisen, dass Boden alles andere ist „als der letzte Dreck“!
Im April erscheint der Tagungsband, in dem die Vorträge und Workshops zusammengefasst sind. Bestellungen sind möglich über konferenz-witzenhausen.de.
Von Antonia Ley