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Senat veröffentlicht Erklärung zur Corona-Pandemie
Kein anderes Ereignis seit ihrer Gründung hat unsere Universität in ihren Aufgaben und Abläufen in Forschung, Lehre und Verwaltung so maßgeblich berührt wie die gegenwärtige Corona-Pandemie. Nie zuvor mussten sich Studierende, Lehrende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Universität so rasch und so umfassend auf geänderte Rahmenbedingungen des universitären Miteinanders einstellen. Dabei haben wir als Universität mit frühzeitiger Kommunikation, entschlossenem Handeln und viel Kreativität in kurzer Zeit vieles richtig gemacht. Insbesondere der Krisenstab der Universität Kassel unter der Leitung von Kanzler Dr. Fromm, das ITS und die Abteilung Studium und Lehre haben in dieser Phase Hervorragendes geleistet und sind hier stellvertretend für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fachbereichen, der Verwaltung, dem technischen Dienst und den wissenschaftlichen Einrichtungen zu nennen, die einen Basisbetrieb der Universität sichergestellt haben. Ihnen allen sei an dieser Stelle Anerkennung ausgesprochen und ausdrücklich gedankt.
Jetzt gilt es nach vorne zu schauen in das gerade begonnene Semester, das in vielerlei Hinsicht herausfordernd für alle Mitglieder der Universität Kassel sein wird. Der Stellenwert von Arbeits- und Gesundheitsschutz für alle Angehörigen der Hochschule wird höher werden. Das unterstützen wir. Der persönliche Umgang und damit der gewohnte soziale Austausch wird auf absehbare Zeit nur eingeschränkt und distanziert möglich sein. Das hat Auswirkungen auf Forschung, Lehre und die demokratischen Prinzipien der akademischen Selbstverwaltung. Geradein einer Krisenzeit wie dieser, in der Entscheidungen häufig unter hohem Zeitdruck getroffen werden müssen, ist zwingend auf die Transparenz der Entscheidungsprozesse und eine umfängliche Kommunikation in die Hochschulöffentlichkeit zu achten, um das Vertrauen in die Leitungsebenen weiterhin zu gewährleisten, um demokratische Kontrollfunktionen aufrecht zu erhalten und um die akademische Gemeinschaft auf dem Weg durch die Krise mitzunehmen. Für die hochschulöffentlich tagenden Gremien, Fachbereichsrat und Senat sind daher dringend Verfahren zu entwickeln, mit denen unter Berücksichtigung der infektionsschutzrechtlichen Vorgaben und mit niederschwelligen Mitteln Öffentlichkeit her- und demokratische Teilhabe sichergestellt werden kann. Bei den zukunftsweisenden Fragestellungen, die in diesen Gremien diskutiert und beschlossen werden, kann die Öffentlichkeit nicht auf Dauer ausgeschlossen bleiben.
In der Forschung benötigen all diejenigen die Unterstützung der Hochschulleitung, der Fördermittelgeber und der jeweiligen Fachgebietsleitungen, deren Arbeitsgrundlagen und Forschungsfelder sich durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dramatisch verändert haben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zur Qualifikation befristet angestellt sind und die neben den Einschränkungen und geänderten Erfordernissen des Arbeitsalltags zusätzliche Verunsicherung durch das nahende Ende der Vertragslaufzeit erfahren, betreffen die Auswirkungen der Corona-Pandemie in besonderer Weise. Daher unterstützen wir die Bemühungen der Akteure auf Bundes- und Landesebene sowie verschiedener Förderorganisationen, die Verträge der nach dem WissZeitVG befristet beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen zu verlängern und dabei insbesondere die Situation der Beschäftigten mit Familienaufgaben zu berücksichtigen. Wir appellieren an die Hochschulleitung, die Dauer von Beschäftigungsverhältnissen maximal auszuschöpfen. Ähnliches muss für Stipendiatinnen und Stipendiaten gelten, die nur für eine befristete Zeit in ihren Arbeiten an der Universität Kassel gefördert werden und deren soziale Absicherung im Anschluss an ihr Stipendium deutlich hinter der der Tarifbeschäftigten zurücksteht.
In der Lehre werden virtuelle Formen eine dominante Rolle spielen. Mittlerweile stehen geeignete Werkzeuge und Methoden für die virtuelle Lehre zur Verfügung und die durch die Corona-Pandemie beschleunigte Umstellung in der Lehre wie in anderen universitären Prozessen wird von vielen auch als Chance zur Realisierung der seit langem anstehenden digitalen Transformation der Universität begriffen. Doch können und sollten wir nicht so tun, als sei die virtuelle Lehre angesichts der kurzen Zeitskala ihrer Einführung vom Aufwand, von der Qualität und vom Ergebnis her den Lehr-/Lernformen, die wir bisher an der Universität Kassel angewandt haben, ebenbürtig. Die virtuelle Lehre im anstehenden Sommersemester hat Konsequenzen für Lehrende wie für Studierende:
- Der Aufwand: Virtuelle Vorlesungen, Seminare und Übungen sind selbst unter Nutzung optimaler technischer Voraussetzungen nur mit erheblichem Aufwand vor- und nachzubereiten. In vielen Fällen bedarf es der notwendigen und oftmals nur über einen hohen Kommunikationsaufwand herzustellenden Einarbeitung in die entsprechenden Tools. Der Weg zum routinierten und vertrauten Umgang mit den diversen digitalen Möglichkeiten ist mit einem hohen Einsatz an technischer Basis-Arbeit verbunden, die erst im zweiten Schritt die hochschuldidaktische und inhaltliche Planung der Lehre ermöglicht. Ferner bedarf es wegen des fehlenden unmittelbaren Feedbacks zu den Veranstaltungen eines zusätzlichen Angebots an virtueller Interaktion (z.B. Chats oder Foren), um zumindest mittelbar eine Rückkopplung einzuholen, auf die Lernenden einzugehen, Ergebnisse zu sichern. Ein solcher Mehraufwand macht sich insbesondere bei Lehrkräften mit Hochdeputatsstellen und Lehrbeauftragten, deren Vor- und Nachbereitungszeiten nur unzureichend berücksichtigt werden, bemerkbar. Diese Personalgruppen benötigen dringend klare Zusicherungen zu ihren vertraglichen Ausgestaltungsmöglichkeiten, um die Lehre in den Fachbereichen auch in einem Basisbetrieb zu gewährleisten.
- Die Qualität: Die nun sehr rasch erfolgende Umstellung auf virtuelle Formate erfordert sowohl von den Lehrenden als auch von den Studierenden Kompromissbereitschaft hinsichtlich der Anforderungen an die Qualität des Angebots. Für viele Lehrende ist die virtuelle Lehre sowohl technisch wie auch hochschuldidaktisch eine Herausforderung, die - bei allem Bemühen und experimentierfreudigem Herantasten – zu qualitativen Schwankungen führen wird. Auch für Studierende bedeuten virtuelle Lehrformate je nach technischer Ausstattung und Wohnsituationen mitunter deutliche Einbußen in der Qualität. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Lernorte wie das Leo und die Bibliothek derzeit geschlossen sind.
- Das Ergebnis: Die allgemeinen Bestimmungen zu den Bachelor- und Master-Studiengängen (AB-Ba/Ma) sowie zur Promotionsordnung (AB-PromO) sind durch Senat und Präsidium aktualisiert worden, um Fristen und Prüfungsformen für die Zeit der Corona-Pandemie anzupassen. Die zuständigen Prüfungsausschüsse sind gehalten, Problemfällen mit Wohlwollen zu begegnen und nach Einzelfallprüfungen die entsprechenden Ausnahmen zu gewähren. Kreativität und Kompromissbereitschaft sind auch bei Abschluss- und Projektarbeiten in internationalen Kontexten gefragt, in denen Reisebeschränkungen sich als problematisch für Forschungs- und Erhebungsphasen vor Ort erweisen.
Neben den skizzierten Aspekten der virtuellen Lehre erfordern auch Lehrveranstaltungen, die zwingend in Präsenzlehrformaten durchgeführt werden müssen, eine besondere Planung. Dies betrifft nicht nur die mit Praxisphasen verbundenen naturwissenschaftlich-technischen, künstlerischen, sozialpädagogischen und lehrerbildenden Studiengänge, sondern auch solche, in denen diskursive Praktiken eingeübt werden müssen. Für die jeweiligen Präsenzphasen müssen in Zeiten der Corona-Pandemie Studienverlaufspläne, Durchführungsverordnungen und Anforderungsprofile angepasst werden. Wo erforderlich, muss persönliche Schutzausrüstung zentral beschafft und den Bereichen zur Verfügung gestellt werden. Auch die Organisation von Prüfungen wird für die durchführenden Bereiche wegen der anzulegenden strengen Hygiene- und Distanzstandards nicht ohne zentrale Unterstützung zu bewältigen sein. Studierende, Lehrende und Beschäftigte aus gesundheitlichen Risikogruppen sind besonders gefährdet. Für sie muss es Alternativen ohne Präsenz und/ oder besonders strenge Hygiene-Maßnahmen geben. Es muss darauf hingewirkt werden, dass auch die Hessische Lehrkräfteakademie im Bereich der Staatsprüfungen Prüfungsformen und Prüfungsfristen den aktuellen Gegebenheiten anpasst.
Das Sommersemester 2020 ist ein Experiment im Reallabor unserer Universität. Wir sind zuversichtlich, dass die Universität Kassel für ein solches Experiment bereit ist. Als Senat werden wir weiterhin darauf achten, dass unter diesen besonderen Bedingungen alle Mitglieder unserer Universität in ihren jeweiligen Lebens-, Lern- und Arbeitssituationen nicht überfordert werden und das universitäre Miteinander erfolgreich gestalten können.
Kassel, den 13.05.2020
Der Senat der Universität