This page contains automatically translated content.

01/05/2021 | Pressemitteilung

Erfolg für Forscherteam: Röntgenlaser ermöglicht Einblick in kurzlebiges atomares System

Der European XFEL, kurz EuXFEL, in der Nähe von Hamburg ist aktuell der größte Röntgenlaser der Welt. Die Versuche, die dort stattfinden, wirken für Außenstehende oft schwer verständlich – wer Dr. Markus Ilchen zuhört, bekommt aber auch als Nicht-Physiker einen Eindruck davon, wie faszinierend die Arbeit am EuXFEL ist.

Image: European XFEL
Dr. Markus Ilchen forscht am European XFEL

Ilchen ist Physiker und forscht gleichzeitig an der Universität Kassel und dem XFEL. Kürzlich hat er gemeinsam mit Dr. Tommaso Mazza (EuXFEL) und einem Team von internationalen Wissenschaftlern aus Deutschland, Schweden, den USA und Russland ein Experiment durchgeführt, das erstmals eine direkte Messung eines extrem kurzlebigen atomaren Systems erlaubt.

Dafür beschossen die Forscher Neon-Atome mit ultrakurzen Röntgenpulsen und untersuchten die Atome mittels hochauflösender Elektronenspektroskopie. So konnten sie erstmals die Struktur von Neon-Atomen direkt nach Absorption eines hochenergetischen Röntgenphotons erforschen.

Dieser Zustand, in dem eines der beiden am stärksten gebundenen Elektronen aus der atomaren Innerschale herausgeschossen wurde, ist sehr kurzlebig – 2.4 Millionstel einer milliardstel Sekunde (Femtosekunden) – und ‚entspannt‘ sich typischerweise nach dieser Zeit unter Emission eines weiteren, weniger stark gebundenen Elektrons. Dieser Prozess ist nach dem französischen Wissenschaftler Pierre Auger benannt und heißt ‚Auger-Prozess‘.

„Durch die einzigartige Charakteristik des European XFEL war es nun erstmalig möglich, das zweite verbleibende Innerschalen-Elektron aus der Bindung zu lösen, bevor der Auger-Prozess stattfindet, um es als Beobachter in die neu entstandene Struktur zu entsenden. Diese dadurch sichtbar gemachten Resonanzen - vergleichbar mit plötzlich neu gespannten Saiten einer Gitarre - entschlüsseln die exakte Beschaffenheit des stark transienten Systems, das in dem Zustand dann quasi hohl ist“, schildert Ilchen.

Mögliche Erkenntnisse zur Vermeidugn von Strahlenschäden

Er erklärt, was das Besondere an dieser Untersuchung ist: „Das Zeitfenster in dem wir eine komplette Karte dieser extrem kurzlebigen Struktur durchführen mussten, also bevor sich das Atom durch den Auger-Effekt wieder drastisch verändert, kann man wie folgt veranschaulichen: Stellen Sie sich einem Kinofilm mit einer herkömmlichen Bildwiederholrate von 50 Bildern pro Sekunde vor, der die Dauer der gesamten Menschheitsgeschichte abbildet. In so einem monumentalen Film entspräche ein einziges Kamerabild der Dauer des Prozesses in Sekunden, den wir unterbieten mussten.“

Ilchen ist begeistert, dass sich durch das Small Quantum Systems (SQS)-Instrument des EuXFEL solche Prozesse nun untersuchen lassen: „Es ist eine einzigartige Stärke des European XFEL, dass man eine solche Studie nicht nur exemplarisch zeigen, sondern sogar in erstaunlich kurzer Zeit ganze ‚Karten‘ solcher Systeme erstellen kann.“

Die Demonstration einer solchen Methode ist der Auftakt für weiterführende Studien an kurzlebigen Zuständen von Materie nach Röntgenabsorption, die den ersten Schritt in eine komplexe Vielzahl von strukturellen und elektronischen Veränderungen darstellen. Hierdurch können neue Erkenntnisse zu der Funktionsweise der Natur hinsichtlich der Vermeidung von Schäden durch hochenergetische Strahlung denkbar werden.

Auch Katalyseverfahren und grundlegende Prozesse des Lebens wie die Photosynthese könnten durch die nun erstellbaren Blaupausen ähnlicher initialer Prozesse stark profitieren. Im Lichte des Kasseler Sonderforschungsbereichs 1319 zu Dynamiken in chiralen Systemen ist es besonders spannend, nun Zugang zu diesem ersten Schritt derartiger Dynamiken zu haben.

„Die Erzeugung, Kontrolle und effiziente Untersuchung von kurzlebigen exotischen elektronischen Zuständen ist ein Kernthema für das SQS-Instrument am European XFEL, das kürzlich auch in einer Veröffentlichung im Fachjournal Science diskutiert wurde.“

Originalveröffentlichung Physical Review X:
https://journals.aps.org/prx/abstract/10.1103/PhysRevX.10.041056

Link zum Artikel in Science

https://science.sciencemag.org/content/369/6511/1630.abstract

 

Kontakt

Dr. Markus Ilchen

Institut für Physik // Experimentalphysik IV
Heinrich-Plett-Str. 40
34132 Kassel

Email: ilchen[at]physik.uni-kassel[dot]de