This page contains automatically translated content.
„Ziehen Sie sich was Ordentliches an“ - Tipps, Chancen und ein kreatives Projekt
Frau Prof. Möller, denken wir uns in den März 2021: Die Krise ist überstanden oder zumindest im Griff. Wie hat sie uns verändert und unsere Art, mit der Welt umzugehen?
Eine große Frage. Ich denke, wir haben gelernt, was wichtig ist: Solidarität zum Beispiel. Die Krise ist auch ein Stresstest für unsere Beziehungen. Wir lernen, auf wen wir uns verlassen können. Und unser sozialer Nahraum wird bedeutsamer sein. So wie sich Unternehmen überlegen werden, ob sie für 20 Cent Einsparung Teile aus China bestellen, so werden wir darüber nachdenken, ob es unbedingt ein Urlaub in Thailand sein muss. Ich werde in den kommenden Wochen übrigens den Kassel-Steig wandern.
Die meisten Menschen verbringen jetzt sehr viel Zeit zu Hause: kein Treffen mit Freunden, keine Kneipe, kein Sportverein, und arbeiten tun viele von uns auch daheim. Was tun gegen den Lagerkoller?
Wir brauchen alle eine feste Struktur. Stehen Sie zu den normalen Zeiten auf und ziehen Sie sich was Ordentliches an. Schminken Sie sich bzw. rasieren Sie sich – was Sie eben tun würden, wenn Sie morgens zur Arbeit gingen. Versuchen Sie, sich zu bewegen, draußen im erlaubten Maße oder zur Not zu Hause. Halten Sie über Telefon oder Internet Kontakt zu Ihren Freunden. Ich bin jeden Abend um 18 Uhr mit wechselnden Freunden über Skype verabredet. Gleichzeitig ist es auch wichtig – gerade in Familien – dass jeder die Möglichkeit bekommt, mal die Tür hinter sich zuzumachen.
Manche reagieren gelassen auf die Situation, manche mit Angst oder sogar Panik...
Ja, es gibt da ein Kontinuum zwischen Bagatellisierung und Dramatisierung. Oft gibt es ja auch realen Anlass zur Sorge, aber wie gut man seinen Gefühlshaushalt regulieren kann, das ist erlernt. Gegen Angst kann jeder etwas tun.
Ein paar Tipps für Verängstigte?
Überfluten Sie sich nicht mit Nachrichten; es reicht, sich morgens und abends upzudaten, und dann durch die richtigen, verlässlichen Quellen. Auch hilft es, sich jeden Abend zu fragen: Was habe ich heute Schönes und Gutes erlebt? Oder sich selber daran zu erinnern, welche schwierigen Situationen man in der eigenen Biografie schon gemeistert hat. Wer in Grübeleien gefangen ist, der kann sich jeden Tag eine bestimmte Zeit für schlechte Gedanken zugestehen und dann sagen: „Genug für heute, morgen grüble ich weiter“.
Können wir auch Positives aus der Situation ziehen?
Die allgemeine Ruhe ist auch etwas Gutes. Für viele bietet sich die Möglichkeit zu entschleunigen. Außerdem können wir einmal kritisch hinterfragen, was wir wirklich brauchen. Im akademischen Bereich merken wir jetzt zum Beispiel, dass es nicht immer eine Dienstreise zu einer Konferenz in Boston sein muss, sondern dass man Dinge auch per Video-Anruf besprechen kann.
Wie bereiten Sie sich als Hochschullehrerin auf das kommende Semester vor? Das wird ja kein Semester wie jedes andere.
Wir können die Zeit nutzen, um digitale Kompetenzen aufzubauen. Es ist auch ganz heilsam, wenn man sich davon löst, ein Semester schon perfekt durchkonzipiert haben zu müssen. In welcher Form ich dieses oder jenes Angebot machen kann, das hängt ja von ganz vielen Faktoren ab, die ich noch nicht überblicke. Wir fahren alle etwas auf Sicht. Aber ich bin ganz entschieden der Meinung, dass wir weitermachen müssen, auch im Hochschulbetrieb – unter veränderten Bedingungen. Wir werden kreativ sein. Übrigens ein Beispiel: Meine Studierenden des Masterprogramms klinische Psychologie und Psychotherapie können derzeit kaum ihre vorgesehenen Praktika machen. Ich entwickele jetzt mit Partnern einen Plan, wie sie sich in die Telefon-Beratung einbringen können. Keine medizinische Corona-Beratung natürlich, sondern zum Umgang mit Problemen oder Ängsten in der Krise. Das kann dann an die Stelle des vorgesehenen Praktikums treten.
Was raten Sie speziell Studierenden – wie können sie die Zeit nutzen, um sich auf das Semester vorzubereiten?
Was ich eben über uns Lehrende gesagt habe, gilt auch für die Studierenden: Erweitern Sie Ihre digitalen Kompetenzen, wo das noch nötig ist. Vernetzen Sie sich digital mit Kommilitonen und helfen Sie sich gegenseitig. Lernen Sie zu improvisieren und werden Sie kreativ.
Prof. Dr. Heidi Möller ist Psychologin, Psychotherapeutin und Professorin für Theorie und Methodik der Beratung
Einen Text zur angesprochenen Telefon-Beratung finden Sie hier.
Interview: Sebastian Mense