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„Die Krise bietet auch Freiräume“
Herr Dr. Knie, Sie haben zwei kleine Kinder, Ihre Frau ist selbst Wissenschaftlerin. Wie organisieren Sie den Familienalltag mit Ihrer Frau und den Kindern, jetzt, wo alle gleichzeitig zu Hause sind?
Ja, mit zwei Kindern unter zwei Jahren, in einem Haushalt mit zwei Forschern, leidet die Konstanz am meisten. Meine Frau und ich wechseln uns bei der Betreuung der Kinder ab. Aber durch die vielen Termine gibt es dann wenig Zeit „in Ruhe etwas wegzuarbeiten“. Das klappt dann nur abends, wenn die Kinder schlafen.
Auf einer Skala von 1 (sehr furchtbar) bis 10 (sehr toll): Wie finden Sie es als Wissenschaftler, sich einfach mal zu Hause einzuigeln?
Auch wenn der Anlass kein schöner ist – für die Arbeit der Gruppe gebe ich eine sieben, also eher positiv. Viele alltägliche Störfaktoren fallen weg und die Forschenden - ohne kleine Kinder - können sich oft sehr gut konzentrieren. Allerdings sind die meisten meiner Tage trotzdem voll von Meetings, nur jetzt eben online. Wir konzentrieren uns in der Forschungsgruppe aber mehr darauf, Forschungsdaten auszuwerten und zu publizieren.
Inspiriert sie diese Auswertung auch zu neuen Forschungsfragen?
Neue Forschungsfragen sind immer willkommen, kommen auch sehr oft durch das Lesen von Publikationen anderer Gruppen. Aber die echten Fragen müssen direkt diskutiert werden. Momentan wollen wir deshalb lieber die Zeit nutzen, unseren Datenberg zu reduzieren und zu publizieren.
Wenn Sie nicht gerade Datenberge reduzieren, was fehlt Ihnen im Homeoffice besonders?
Erstens: Unsere Kaffeemaschine im Seminarraum fehlt mir sehr. Sowohl der Kaffee, als auch der kurze Austausch mit den Kollegen dabei.
Zweitens: Insgesamt ist die Infrastruktur auch in einem guten Homeoffice nicht vergleichbar mit dem im Institut.
Was machen Sie denn normalerweise mit dieser Infrastruktur?
Mein Forschungsziel ist zu verstehen, wie Strahlenschäden in Zellen auf atomarer Skala passieren. Dazu versuchen wir zunächst in künstlichen Molekülen nachzuvollziehen, wie sich Elektronen und Energie über viele Atome hinwegbewegen. Je kleiner das Ziel, desto größer die Maschinen. Deshalb machen wir unsere Experimente an Großforschungsanlagen, sogenannten Synchrotronstrahlungsbeschleunigern, wie zum Beispiel BESSY im Helmholtz-Zentrum Berlin oder PETRA III im DESY Hamburg.
Diese Experimente bereiten wir akribisch im Labor vor. Die Vorbereitung für ein solches Experiment liegt leider momentan auf Eis. Auch die Beschleuniger sind in der Coronakrise geschlossen
Wie betreuen Sie diese Experimente für gewöhnlich?
Die Experimente sind sehr kompliziert. Viele weltweit einzigartige Komponenten müssen gleichzeitig funktionieren und Höchstleistung bringen. Dafür braucht man viele Menschen und viel Erfahrung. Typisch ist, dass Doktoranden und Masterstudierende die Experimente durchführen. Damit nichts schief geht, sind aber auch immer sehr erfahrene Wissenschaftler dabei und bringen den jungen Menschen alles Notwendige bei und stehen ständig für Fragen zur Verfügung.
Nun sind Kontakte aber auf ein Minimum reduziert, gemeinsame Experimente gestalten sich da schwierig. Wie hat sich aufgrund der aktuellen Situation Ihr Forschungsalltag verändert?
Ja, all die Experimente, die Vorbereitung und echte Experimente, sind momentan nicht möglich. Besonders bei uns – hier müssen immer mehrere Personen gleichzeitig an einem Experiment arbeiten – ist das Risiko sonst zu groß. Deshalb sind wir tatsächlich alle im Homeoffice und arbeiten entweder an der Auswertung der Daten vorangegangener Experimente oder bereiten Publikationen vor.
Wir organisieren Sie sich dann in der Forschungsgruppe? Ist wenigstens die Bürokratie weniger geworden?
Teils, teils. Manche Dinge gehen viel einfacher und ein Anruf und eine kurze E-Mail genügt, wo vorher ein Brief über den Dienstweg gehen musste. Dafür erfordern manche Prozesse, die noch über den Dienstweg gehen müssen, sehr viel Aufwand. Man muss sich absprechen, wo, wann, wer eine Unterschrift leisten kann und wie Dokumente aus dem Homeoffice in die Verwaltung kommen.
Auch wenn es Einschränkungen bei den Experimenten gibt, was nehmen Sie aus der Coronakrise für Ihre wissenschaftliche Arbeit mit?
Das ist nach zwei Wochen noch etwas schwer zu überblicken. Aber ich denke, dass es sich jetzt schon abzeichnet, dass wir solche Homeoffice-Wochen auch in normalen Zeiten einrichten sollten, um Dinge in Ruhe abarbeiten zu können. Wir sind, nach einem etwas holprigen Start, jetzt deutlich besser mit digitalen Instrumenten für Meetings, Gruppenarbeit und alltägliche kleine Fragen vertraut. Wir können das sicherlich in Zukunft viel leichter nutzen.
Wir wissen, dass Kreativität viel Freiraum und sozialen Kontakt benötigt. Freiräume bietet die Krise durchaus, aber das Fehlen der gemeinsamen Kaffeepausen ist nicht gut für das soziale Gefüge und die Kreativität.
Dr. André Knie ist Teilgruppenleiter der Spektroskopie und Physik mit Synchrotronstrahlung an der Universität Kassel.
Interview: Christine Graß.